In Genf angekommen, wurde mir erlaubt in der Universitäts-Bibliothek die kostbaren
Rousseau-Manuskripte einzusehen; dort, bei Emile und dem Versuch über Musik fühlte ich
mich dem großen Erzieher nahekommen, dessen Glaube an die Musik als einem Element der
Erziehung so stark war. Der Artikel in Le Petit Journal und die erneute Lektüre von Rousseau
wirkten als Tonikum und gaben mir für meine Arbeit Mut. <128>
Mein Ersuchen an das Departement für das öffentliche Unterrichtswesen um Erlaubnis,
repräsentative Schulen verschiedener Stufen besuchen zu dürfen, wurde in freundlichster Weise
entgegengenommen; der Sekretär, Monsieur H.Durhunt, gab mir vier Empfehlungschreiben: (1)
für eine höhere Jungenschule; (2) für eine höhere Mädchenschule; (3) für eine Primarschule; (4)
für eine Vorschule. Ich besuchte jede dieser Schulen und lernte den Schulleiter kennen, der mir
die Stundentafel zeigte und die Klassen festlegte, die ich an einem der folgenden Tage sehen
sollte. So hörte ich in jedem Falle eine normale Stunde zur normalen Zeit.

Das Kolleg.

Dieses ist eine höhere Schule, in der die Genfer Jungen für Berufe und für die Universität
vorbereitet werden. Sie wurde 1558 von Calvin gegründet und es lernen dort - ohne die
Vorbereitungsklassen - siebenhundert Jungen zwischen elf und achtzehn Jahren. Jeder Junge
lernt Singen und erhält wöchentlich eine dreiviertel Stunde Unterricht. Für die Arbeit sind zwei
Musikprofessoren eingestellt, der ältere ist Monsieur Rotschy und der jüngere Monsieur Paul
Bratschi.

Dritte Klasse.

Ich hörte eine Stunde von Herrn Bratschi für dreißig Jungen der dritten Klasse im Alter von 14
bis 15. Vom Lehrer wurde ein Solfège von Danhauser diktiert; jedes Zeichen, Schlüssel,
Pause, Note usw. wurde vom Lehrer angesagt,