mittlerem Alter, kamen dazu, sangen Tenor und Baß und <30> bildeten mit ihren kraftvollen
Stimmen einen wohl-ausgewogenen Chor. Nachdem sie die Leiter solfeggiert hatten (das erste
Mal, daß ich die Silben hörte), sangen die Kinder "Hebe deine Augen" aus dem Gedächtnis,
mit kolossalem Ton. Danach sang der ganze Chor Mozarts "Ave verum" und Mendelssohns
"Erinnerung" mit feinem Ausdruck. All dieses war unbegleitet. Die Kinder sangen aus
Einzelstimmen, eine für vier bis fünf Kinder; die meisten konnten die Stimmen auswendig.
Tatsächlich sangen sie vorwiegend nach Gehör. Ich fragte: "Können sie Noten lesen?" Die
Antwort war: "Die Klassen VI und VII können es, - etwas." Sei es wie es wolle, - Geschmack
und musikalischer Horizont der Kinder können durch die Teilhabe an so guter Musik nur
gewinnen.

Protestantische Schule.

Ich wurde in diese Schule geschickt, weil der Lehrer, der Gesang unterrichtet, Herr Grell, eine
besondere Methode hat, von der ich in früher besuchten Schulen schon Spuren entdeckt hatte.
Seine Vorstellung ist, daß gutes Singen gutes Sprechen voraussetzt, und daß Sprech- und
Singstimme zusammen ausgebildet werden müssen. Wie das gemacht wird, wird an dem, was
ich sah, deutlich:
Klasse III (Jungen und Mädchen gemischt, acht Jahre alt). Erst sangen sie die Vokale "aa",
"ay", "ee" auf einem Ton, mit führender Violine. Dann die Vokale ""ah", "oh"; darauf "ay", "oy",
"oo" auf die gleiche Weise. Dann die C-Leiter mit Violine zu den folgenden Vokalen in der
Folge: aa, ay, ee, oh, oo. Dann das Gleiche auf na, an, na, an usw. Die kleinste Abweichung
vom Vokalklang wurde von Herrn Grell entdeckt und korrigiert. Dann schrieb er die Zahlen an
die Tafel [1 bis 5, aufsteigend, übereinander], zeigte mit seinem Bogen darauf, immer in
Tonschritten, während die Klasse sang. Das war ums Haar der Gebrauch eines Modulators.
Mehrere Lehrer, bei denen ich später war, machten es genauso. Herr Grell rief dann die
Leiternoten (auf Ziffern) auf, und die Klasse sang jeden angesagten Ton.