- 16 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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ken, sozusagen ein weltweites Gehirn, das an aristotelischer und kantischer Logik seine Prozesse orientiert, nicht aber an hinduistischen, taoistischen oder shintoistischen Prämissen des Denkens?

Betrachten wir das Global Village etwas genauer. Als man in westlichen Großstädten die ersten Live-Übertragungen vom Beduinenzelt in der Wüste, vom Eskimo-Iglu in der Eiswüste und von der Aborigines-Siedlung im australischen Busch sehen konnte – alle ausgestattet mit Radioempfänger, später dann auch mit Fernsehen, lag es natürlich nahe, aus dem – zumindest scheinbaren – Näherrücken dieser vormals so weit entfernten, exotischen Völker ein „Dorfgefühl“ abzuleiten, das sich im Gegensatz verstand zu der vormaligen Auffassung von einer jeweiligen ethnozentrischen Weltauffassung, die sich bei fast allen Kulturen findet und wonach sich die jeweiligen Kulturmitglieder als „Menschen“ bezeichnen, die ihrer Kultur nicht Angehörenden als Nicht-Menschen, Barbaren oder einfach „die Anderen“, die „weit weg“ und deswegen auch nicht so wichtig zu nehmen sind. Insoweit war dies Näherrücken sicher ein Fortschritt.

Andererseits wurden und werden mit dem Schlagwort gleich mehrere Trugschlüsse mitgeliefert. Zunächst und offensichtlich ist ja diese vom Luhanismus gefeierte Art von Kommunikation gar keine wirkliche Kommunikation – Kommunizieren als etwas gemeinsam gewußtes bereden –, sondern eine einseitige Verteilung von Information. Dabei ist noch nicht einmal sichergestellt, ob Sender und Empfänger über den gleichen Dechiffrierungscode verfügen, wenn zum Beispiel ein Eskimo eine Sendung empfängt, die von weißen Redakteuren in geheizten festen Gebäuden in der US-amerikanischen Stadt Anchorage gemacht wird –, so daß im Shannonschen Sinne noch nicht einmal eine echte Information gewährleistet ist.

Es gibt nicht nur keine Möglichkeit, die einseitigen Informationsflüsse vom Sender zum Empfänger umzudrehen oder zumindest die Art der Filter mitzubestimmen, mit deren Hilfe die Auswahl an Nachrichten und Unterhaltungssendungen im Sender geschieht – es gibt auch ganz im Gegensatz zum wirklichen Dorf nicht die geringste Möglichkeit, mit dem scheinbar so nahe gerückten exotischen Bewohner des Global Village in einen direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht zu treten, so wie ein echter Dorfbewohner aus der Tür und über die Straße zu seinem Mit-Dorfbewohner treten könnte.

Drittens wird bei aller Freude über den zweifelsfrei festzustellenden Demokratisierungseffekt zum Beispiel des Telefons oft übersehen, daß dieser Effekt begleitet wird von einer Ausgrenzung all derer, die – ich zitiere sinngemäß Stephen Pope4

4
Pope 1999: Web.La.Radia: Social, Economic, and Political Aspects of Music and Digital Media. In: Computer Music Journal 23-1, S. 49–56.
– „aus Gründen der Armut, der eigenen Entscheidung, der geographischen Lebenswelt etc. nicht an der betreffenden technologischen Entwicklung teilhaben können oder wollen; sie sind schlicht nicht länger Mitglied der Gesellschaft.“ Diese „Aspekte der elektronischen Technologien führen einerseits zu einer Aufweichung sozialer Grenzen oder Schichten, gleichzeitig aber zur Ausbildung neuer noch härterer ökonomischer und sozialer Grenzen.“

Dieser Effekt galt für Telefon und Radio als rund ein Jahrhundert alte Technologien; er gilt noch mehr bzw. wird noch stärker eintreffen bei der Technologie, die


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