- 181 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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wahr, genommen ist ihm aber die Anschauung der Musizierenden, des Vorgangs der primären Schallerzeugung.
  • Auch in akustischer Hinsicht stellt übertragene Musik eine Reduktion dar. Wo der Konzerthörer Schall aus allen Richtungen aufnimmt, empfängt der Schallplattenhörer Schall nur aus (im Regelfall der Stereowiedergabe) zwei Lautsprechern. Außerdem umfasst Übertragungsmusik nur eine begrenzte Dynamik, die durch die Umstände der Wiedergabe im Alltag bestimmt ist.4
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    Die übliche Wiedergabedynamik beträgt unabhängig vom Tonträger nicht mehr als ca. 40 dB; vgl. Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik, Bd. 1, München u. a. 1987, S. 269f.

    Bei der elektroakustischen Übertragung wird die Musikdarstellung also sozial, wahrnehmungspsychologisch und akustisch transformiert. Übertragungsmusik unterliegt damit grundlegend anderen Bedingungen als Live-Musik und kann nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund muss die akustische Reproduktion als eigene Art der Musikdarstellung betrachtet werden. Ungeachtet dessen wird Übertragungsmusik aber immer wieder der konzertmäßigen, ortsgebundenen Musikdarstellung verantwortlich gemacht. An Aufnahmen klassischer Musik wird immer wieder, ausdrücklich oder stillschweigend, der Maßstab des Live-Ereignisses angelegt. Dies lässt sich sowohl für die produzierende wie für die rezipierende Seite beobachten.

    So heißt es in einer Selbstdarstellung der Schallplattenfirma Musikproduktion Dabringhaus und Grimm (MDG), die für die hohe Aufnahmequalität ihrer Veröffentlichungen geschätzt wird, unter der Überschrift „MDG – Das Klangkonzept“: „Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der ,Livehaftigkeit‘ erlebt wird.“5

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    Veröffentlicht im Internet 1998 unter http://www.mdg.de/kreal.htm.
    Elektroakustisch reproduzierte Musik soll also die Live-Situation wiedererstehen lassen. Als Bedingungen dafür nennt MDG:

    1. natürliche Klangfarben der Instrumente (Stimmen)
    2. natürlicher Raumklang
    3. natürliche Abbildung des Klangkörpers in Breite und Tiefe
    4. natürliche Balance zwischen den Instrumenten
    5. natürliche Dynamik (Unterschiede der Lautstärke) der Instrumente
    6. natürlicher musikalischer Fluß der Wiedergabe.

    Natürlichkeit scheint also in jeder Hinsicht ein wichtiges Gestaltungskriterium für Musikaufnahmen zu sein.

    Dass auch (professionelle) Rezipienten der Natürlichkeit als Beurteilungskriterium hohen Stellenwert beimessen, lehrt ein Blick in die Schallplattenzeitschrift Fono Forum, in deren Rezensionen bis vor wenigen Monaten eine kurze verbale Bewertung des Klangbilds fester Bestandteil war. Außerordentlich häufig wird hier ein positives Urteil mit dem Attribut „natürlich“ versehen. Nicht nur für die Gestaltung von Musikaufnahmen, auch für ihre Rezeption scheint also Natürlichkeit


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