- 239 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Aber welche Auswirkungen haben diese Phänomene auf das Musizieren? Und: wie verändern sie unser Verhältnis zur Musik?

Ich möchte im Folgenden zeigen, daß die beschriebene Digitalisierung erheblichen Einfluß auf den Umgang mit Musik genommen hat. Insbesondere die Nebenwirkungen dieses Vorgangs sollen dabei Beachtung finden, denn die „Hauptwirkungen“, von der Exaktheit der Transkription bis hin zur (vermeintlichen)5

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Wie wenig in Wirklichkeit aber auch die digitale Überlieferung Unsicherheiten löst, zeigt beispielsweise die akademische Diskussion um die Interpretation von Metronomzahlen bis hin zur These, die Tempowiedergabe habe sich durch falsche Deutung im letzten Jahrhundert verdoppelt. Vgl. Willem Retze Talsma: Die Wiedergeburt der Klassiker, Thaur 1988 und Grete Wehmeyer: prestißißimo: Die Wiederentdeckung der Langsamkeit in der Musik, Hamburg 1989.
Eindeutigkeit der Überlieferung, dürften hinlänglich bekannt und gewürdigt sein.

Ein Instrument, bei dem die Digitalisierung sich in extremer Weise bereits in seiner Konstruktion niedergeschlagen hat, ist neben der bereits erwähnten Orgel das Pianoforte. Das Klavier stellt, wie alle anderen Tasteninstrumente, von den jungen elektronischen abgesehen, den Inbegriff eines grob rasternden Instrumentes dar, denn es reduziert die klangliche Realisierung von musikalischen (im wahrsten Sinn des Wortes) Zwischentönen auf ein Minimum:

Das Klavier bietet keinerlei Möglichkeit

  1. der Beeinflussung von Tonhöhen
  2. (abgesehen vom nur pauschal für alle Töne und damit sehr undifferenziert einzusetzenden linken Pedal) der Beeinflussung der Klangfarbe getrennt von der Lautstärke, und
  3. (abgesehen vom nur pauschal für alle Töne und damit sehr undifferenziert einzusetzenden rechten Pedal6
    6
    Das sogenannte Tonhaltepedal, das bei einigen teureren Modellen Anwendung findet und einzelne Töne verlängert, ist ebenfalls nur sehr begrenzt einsetzbar.
    ) der Beeinflussung des Tonverlaufs nach seiner Auslösung.

Es entspricht diesem hohen Digitalisierungsgrad, daß in der kulturellen Wirklichkeit des Klavierspiels und Klavierunterrichts Digitalisierungsphänomene besonders deutlich spürbar werden. Deshalb soll im Folgenden das Klavierspiel und seine Vermittlung gewählt werden, um das Eindringen der Digitalisierung auch in das musikalische Denken zu verdeutlichen. Im folgenden Beispiel aus dem Notenbuch eines Klavierschülers ist die Digitalisierung perfektioniert: Der kleinste im vorliegenden Stück vorkommende Notenwert ist hier die Zweiunddreißigstel, folglich hat der Schüler laut Zweiunddreißigstel Noten zu zählen:

Besonders deutlich ist dieses Beispiel, weil es einerseits recht extrem ist und darüber hinaus binär codiert, wie wir es auch von elektrischen digitalen Signalen kennen,


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