- 315 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Jetzt sind diese Straßen zu Fußgängerzonen geworden, wo man hauptsächlich Stimmen, Fußtritte, Vögel und Straßenmusiker hört. In dieser Klangwelt ohne Motorengeräusche ist es leicht, den Stadtlärm meiner Jugend in meinem inneren Ohr nachhallen zu lassen. Andere Stadtteile sind lauter geworden und dort ist es heute schwer, die frühere Stille innerlich nachzuvollziehen.

Ich bin außerhalb von Osnabrück, in Burg Gretesch, aufgewachsen. Dort klingt es im Sommer, im Garten meiner Mutter, oft so:

Klangbeispiel: Kirchenglocken, Vögel, einzelne Autos.

Als ich 22 Jahre alt war, wanderte ich nach Vancouver, Canada aus, wo es im Herbst so klingt:

Klangbeispiel: Meereswellen, Nebelhörner, fernes Brummen der Stadt.

Der musikalische Klang der Nebel- und Schiffshörner in Vancouver hat mir zum Teil die musikalische Gegenwart und Atmosphäre der Kirchenglocken von Osnabrück und Gretesch ersetzt. Der frische und komplexe Wasserklang des Meeres in Vancouver hat den lebendigen Vogelgesang im Laubwald für mich ersetzt. Jeder dieser Klänge verbindet mich mit diesen spezifischen Orten, gibt mir ein Gefühl der Zugehörigkeit an beiden Orten: Naturklänge, die typisch für jede dieser Landschaften sind und Signalklänge, die typisch für jede dieser Kulturen sind.

Meine Faszination für die Klangumwelt wurde mir erst bewußt, als ich den kanadischen Komponisten Murray Schafer in den frühen 70ger Jahren in Vancouver kennenlernte und in seinem Forschungsprojekt, dem World Soundscape Project arbeitete. Durch intensives Zuhören, durch das Anfertigen von Klangaufnahmen, durch Forschung in Gebieten wie Akustik, Lärmbekämpfung, Hören, Ästhetik der Stille, Medien, Hintergrundsmusik, usw. wurde mein Verständnis über die Bedeutung von Umweltklängen vertieft. Um dieselbe Zeit wurde Vancouver Co-operative Radio gegründet, was uns die außergewöhnliche Gelegenheit gab, unsere Aufnahmen und ersten Klangstücke zu senden und über unsere derzeitigen Forschungstätigkeiten öffentlich zu berichten. Die Kombination dieser Aktivitäten regte mich dazu an, mit Umweltklängen zu komponieren.

Der größte Teil meiner kompositorischen Arbeit befaßt sich mit Aspekten der akustischen Umwelt: mit Stadt- und Landgeräuschen, mit den Klangwelten der Wildnis, mit den Stimmen von Kindern, Männern und Frauen, mit Lärm und Stille, Musik und Mediengeklingel, sowie mit den Klangwelten verschiedener Kulturen.

Ein Moment Stille

Umweltklänge informieren uns über unsere Kulturen, unsere Lebensweisen, unseren Umgang mit der Umwelt, über unsere sozialen Zustände, über unseren Lebensrhythmus.

Klangbeispiel: Cool Drool
(Ausschnitt eines satirischen Performancestückes über Hintergrundmusik).


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