- 316 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Man hört diese Art Musik zum Beispiel wenn man in einen Burger King oder ein MacDonald tritt, ganz egal, ob man in Vancouver, Osnabrück, Hongkong, Tokyo oder Brasilia ist.

Man hört diese Art Musik, wenn man in ein Oberoi Hotel, Hyatt Regency oder Hilton tritt, ganz egal, ob man in Neu Delhi, Berlin, Los Angeles, Mexico City oder Tel Aviv ist.

Man hört diese Art Musik, wenn man in ein Kaufhaus tritt, ganz egal, ob man in Seattle, London, Münster, Kapstadt oder vielleicht sogar in Moskau ist.

Alles Kultur- oder Ortspezifische ist aus der Musik fortgewischt, oder ist eben noch in vagen Andeutungen hörbar, die im Orchesterklang eingebettet sind. Diese Musik heißt Muzak – sie trägt den Namen des größten und ersten Konzerns, der eben diese Hintergrundsmusik produziert. Der Muzakkonzern selber nennt diese Musik heutzutage environmental music muzak – Umweltmusik Muzak. Sie ist ausdrücklich mit der Intention geschaffen worden, daß wir ihr nicht zuhören. Sie soll genauso unbemerkt durch unsere Ohren in unser Unterbewußtsein schlüpfen, wie so viele andere Umweltklänge. Der Konzern weiß ganz genau, daß es eine Menge Ohren im städtischen Lebenskreis gibt, die sich die Umwelt nicht bewußt anhören. Auf diese Weise ist es Muzak gelungen, mit seinem Musikgeriesel in vielen kommerziellen Umgebungen den Ton zu bestimmen. Wenn auch auf relativ leise Art: Muzak bestimmt oft, ohne daß wir es merken, das Tempo unserer Schritte: im Kaufhaus ermutigt langsamere Muzak uns zum Längerbleiben, zum Mehrkaufen; im gefüllten Kaufhaus soll ein schnellerer Rhythmus uns schneller durchschleusen.

Der Muzakkonzern wurde 1934 in den USA gegründet und wurde während des zweiten Weltkrieges besonders erfolgreich. Muzak wurde in der Kriegsindustrie angewandt, um die Produktion zu beschleunigen. Das Resultat war so erfolgreich, daß damit nach dem Krieg in anderen industriellen und kommerziellen Umgebungen weitergemacht wurde – zuerst in den USA, danach und bis heute, wo immer Großkonzerne in der Welt auftauchen. Es ist die globale Musik von Industrie und Handel.

Vor mehr als 15 Jahren mußte der Muzakkonzern Vordergrundsmusik auf den Markt bringen, die nicht nur lauter abgespielt wird, sondern die aus Originalmusik besteht und nicht, wie Hintergrundsmusik, für Orchesterklang neu instrumentiert wird. Der Grund: dem ursprünglichen leisen Muzakgeriesel wurde, wie ja beabsichtigt, tatsächlich nicht zugehört, aber zusätzlich wurde es auf tieferer Ebene nicht mehr wahrgenommen und hatte infolgedessen auch nicht mehr den gewünschten Einfluß.

Seit ungefähr 10 Jahren können wir CDs mit Umweltklängen kaufen. Auf ein und demselben CD findet man z. B. Klänge vom Amazonas, vom bayrischen Wald, vom pazifischen Ozean, oder von der kanadischen Seenplatte. In den meisten Fällen gibt es keinerlei spezifische Erklärung über den Ursprungsort dieser Klänge, über die Namen der Tiere, über ihre Verhaltensweise oder ihre Rufe. Der Zweck ist nicht, uns über den Ort oder die Naturklänge zu informieren, sondern dem städtisch-gehetzten Menschen eine Stunde Ruhe und Entspannung zu erkaufen. Es ist ganz egal, welche Vogel-, Wasser- oder Grillenklänge dazu benutzt werden. Tiere und Naturorte bleiben namenlos, als ob sie keinen anderen Zweck in unserer Welt erfüllen. In vielen Fällen ist leicht-säuselnde, oft synthetisch-erzeugte Musik


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