- 488 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Eine solche Verflachung sah Schläbitz nicht, er wies darauf hin, dass jedes neue Medium von solchen Verlustbeschreibungen begleitet wurde. Bereits Platon habe mit dem Aufkommen der Schrift beklagt, dass das Wissen nicht mehr direkt in dem Menschen lebe, sondern über Fremdbeschreibungen vermittelt werde. Die Kirche habe sich vehement gegen den Buchdruck gewehrt, weil die damit entstehende Meinungsvielfalt ihre Autorität untergrabe. Allerdings gab er auch zu bedenken, dass der Begriff global village eine Heimeligkeit und Übersichtlichkeit suggeriere, obwohl er doch nur beinhalte, dass man den anderen schnell erreichen könne. Durch die Komplexität der Vernetzung sei aber keine Übersichtlichkeit mehr gegeben, sondern im Gegenteil eine absolute Unübersichtlichkeit.

Emmerson pflichtete dem bei, indem er sagte, dass er unter einem global village eigentlich ein Dorf verstehe, in dem jeder jeden kenne, in diesem global village jedoch kenne man niemanden mehr. Um die Unübersichtlichkeit, die nicht mehr zu durchschauende Vielfalt der Möglichkeiten zu illustrieren, wählte er das Bild des schottischen porridge: wenn man alles vermische, erscheine alles nur noch grau. Er regte an, Zentren mit einer stark ausgeprägten Weltanschauung zu bilden, welche in ihrer Pluralität es dem Individuum ermöglichten, verschiedene Perspektiven zu wählen, aber das Entstehen eines porridge verhindern.

Mazzola warnte vor einem negativen Effekt der Globalisierung, nämlich dass die „intercontinental breakfast-Kultur“ die regionalen musikalischen Idiome bedrohe. Andererseits sieht Knolle auch die Chance, dass sich musikalische Szenen etablieren können, die kommerziell keine Chancen hätten. Enders befürchtete jedoch, dass das Internet in Zukunft kommerzieller werde und die Illusion der totalen Demokratie und Anarchie – im positiven Sinne – des Internets zerstören wird.

Machtstrukturen

Bereits in seinem Eingangs-Statement hatte Mazzola provokativ gefragt, ob die Welt des Internet nicht durch das freie Spiel der Kräfte derjenigen, die die Macht dazu haben, versklavt wird.

Schläbitz widersprach dem. Er glaube nicht daran, dass es einerseits Mächtige gebe und andere, die nur folgsam hinterhertrotten, sondern stellte dem die These entgegen, das Medium sei durch die Vernetzung so komplex, dass die Wege der Kommunikation nicht mehr lenkbar seien. Merck stimmte ihm zu, dass man das Internet nicht als Machtinstrument nutzen könne, das bekomme man nicht in den Griff.

Enders nannte hierzu bekräftigend als Beispiel, dass Nachrichten nach China, Bosnien oder Serbien eben nicht einfach von bestimmten Machtgruppen abgefangen werden könnten. Das sei durch die dezentrale Struktur des Netzes nicht möglich, die – früher u. a. aus militärischen Gründen – bewusst so geplant sei.

Selbst mächtige Großkonzerne, so illustrierte Schläbitz an einem Beispiel, haben nicht die Macht, die Zukunft des Netzes zu beherrschen. In Anspielung auf die Entwicklung des Apple-Computers in einer Garage sprach er von „virtuellen Garagen“, in denen Ideen entwickelt werden, die sogar Microsoft in die Knie zwingen können. Es sei nicht mehr so, dass die Großen die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die Langsamen, und je größer etwas werde, desto langsamer werde es auch.


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