Allerdings räumte Enders ein, dass es eine technische Hierarchie gebe. Das
Internet werde technisch durch die Telefon-Gesellschaften und die Betreiber
der Server beherrscht. An diesen Stellen könnten gewisse Schalthebel bedient
werden.
Merck wies darauf hin, dass das Netz die herkömmlichen Machtstrukturen
widerspiegele und die Trennung zwischen arm und reich, erfolgreich und nicht erfolgreich
keineswegs aufheben werde. Er belegte das am Beispiel der Künstler, die im Internet
genauso wie im realen Leben nur dann erfolgreich seien, wenn massive Werbung hinter
ihnen stehe.
Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt, ob das Internet in der Gefahr stehe, dem
Faschismus als Instrument zur Verfügung zu stehen, so wie im zwanzigsten Jahrhundert
andere Massenmedien vom Faschismus benutzt wurden. Dieser Befürchtung trat Merck
entgegen, die Gefahr der Nutzung des Internets im totalitären Sinn als Machtinstrument
sehe er nicht, worin er von anderen auch unterstützt wurde. Er befürchtete das genaue
Gegenteil, nämlich dass das Internet zu einem rechtsfreien Raum werde, was einem
Rückfall ins Mittelalter im sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich
gleichkäme.
Ästhetik
Schläbitz erinnerte daran, dass der Werkbegriff im Sinne von etwas Abgeschlossenem
sich nur deswegen manifestieren konnte, weil die Musik in einem Medium fixiert wurde,
welches eine gewisse Beharrung aufweist, also z. B. ein auf Papier geschriebener
Notentext. Der Werkbegriff sei aber, wie andere Gebrauchsordnungen auch, kein auf
Ewigkeit fixierter Wert, sondern im Grunde genommen nur eine Medienordnung, die im
Umgang mit dem Medium entstanden sei. Obwohl im Medium Internet auch Werke
gespeichert werden können, besteht das Neue darin, dass Informationen leicht kopiert,
verschickt, verändert und aktualisiert werden können. Seiner Wahrnehmung nach scheine
sich die Abgeschlossenheit, das Beharrende dadurch nun zu verzeitlichen, zu verflüssigen.
Dieses Fließmoment sei nun auch konstitutiv für die Kunstwerke, die in diesem Medium
entstünden, er verwies auf ein Werk von Karlheinz Essl, welches explizit „Flow“
heißt.
Er erinnerte an die ersten Sequencer-Programme, deren maschinelle Präzision in
schnellen Sechzehnteln zu einer neuen Maschinen-Ästhetik geführt habe. Er vermutete,
dass die Sukzession, welche der globalen Interaktion anhaftet, zentral für eine neue
Ästhetik werden könne. Dieser Aspekt der Sukzession wurde z. B. im Vortrag von
Eberhard Schoener deutlich, der über ein Konzert unter seiner Leitung berichtete, bei
welchem die Musiker sich auf verschiedenen Kontinenten befanden und durch Bild- und
Tonleitungen vernetzt gemeinsam in Echtzeit musiziert hatten. Nun erfordert jede Bild-
oder Tonübertragung über so große Entfernungen Zeiträume von Sekundenbruchteilen,
die ein metrisch genaues Zusammenspiel unmöglich machen. Aus diesem dadurch
notwendigen Hintereinanderspielen, so Schläbitz, könnte sich eine neue Ästhetik
ergeben.
Mit Rückblick auf die elektronische Musik hielt Troge dem entgegen, dass auch er vor
vielen Jahren geglaubt habe, dass sich hieraus eine neue Ästhetik entwickeln könne,
heute jedoch festzustellen sei, dass nicht nur die elektronische Musik keine