- 95 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Globalisierung ist ein solcher Auslöser für die Konfrontation mit Andersartigkeit. Das Eigenständige, Bodenständige ist demgegenüber regional begrenzt.

Diese Gegenüberstellung von bodenständig, das immer regional umgrenzt ist und global, ist in gewisser Parallele zu sehen zu der Polarisierung Individuation und Symbiose bzw. Distanz und Nähe.

Individuation und Symbiose

Es sind die Ausführungen von H. Willms zur Wirkung der Musik in der Therapie (1983, S. 16–19; 1991, S. 158), die diese Parallelisierung nahe legen. Er als Musiktherapeut sieht eine der großen Schwierigkeiten des Lebens darin, die Gratwanderung zwischen Individuation und Symbiose zu bewältigen, den Ausgleich zwischen Distanz und Nähe zum Anderen ständig zu suchen und auch zu finden. Diese Aufgabe zu erkennen und zu trainieren kann gerade die Musik helfen. Sie kann sowohl in der aktiven Musiktherapie als auch nur im Musikhören Anleitung geben. Dieses Gefühl, beim Musikmachen hineingenommen zu sein in das Geschehen und gleichzeitig dabei etwas Eigenes zu vertreten, ist nach Willms eine durch die Musik geförderte Übung in dem Prozeß, das Gleichgewicht zu finden zwischen Individuation und Symbiose. Dieses Getragenwerden von der Gemeinschaft und dabei gleichzeitig durch die eigene Stimme oder durch eigenes Tun etwas Eigenes beizutragen, und sei es nur in der hörenden Bewältigung der „Echtzeitentschlüsselung“ (Fricke 1993, S. 185), ist wohl der eigentliche Wirkungsfaktor in der Musiktherapie. Meiner Meinung nach findet man hier die plausibelste Erklärung der therapeutischen Wirkung der Musik, wenn man die Erfolgserlebnisse der Echtzeitentschlüsselung der grammatikalischen Formen und des Erlebens von Spannung und Lösen noch mit hinzunimmt, d. h. die „digitalen“ und die „analogen“ Mittel der Kommunikation mit Musik (Fricke 1989, S. 172, 1998) mit einbezieht.

Regionalisierung und Globalisierung

Um den Ort von Vertrautheit und Gemeinsamkeit, an dem man sich versteht und aufgehoben fühlt, zu umgrenzen, ist es zweckmäßig, einige Betrachtungen zum Begriff „Heimat“, „Nachbarschaft“ und „Familie“ anzustellen. Sie umschreiben die Bezirke, in denen in überschaubaren Populationen der Diskurs zur Herstellung von Gemeinsamkeit, Vertrautheit und dem Gefühl, zu Hause zu sein, abläuft. Der amerikanische Autor indischer Abstammung Arjun Appadurai macht in seinem Buch „Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization“ (1996) deutlich, daß es ohne diesen Diskurs, der nicht nur verbal, sondern auch in den Medien stattfindet, keine „Heimat“ gibt (1996, Kap. 9, S. 178ff.). Dieser Diskurs und die räumliche Begrenzung sind also eine Bedingung.

Heimat ist ein relativer Begriff, zu dem dazugesagt werden muß, in bezug auf welches Gefühl von Gemeinsamkeit man sich in einer Region, einem Land oder gar in einem Erdteil zu Hause fühlt. Auch hängt es weitgehend mit Bildung und Mobilität des Einzelnen zusammen, wie weit der Horizont gemeinsamen Verstehens ausgedehnt ist. Trotzdem können wir Appadurais Ausführungen darin folgen, daß


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