zur Herstellung von spezifischen
Gemeinsamkeiten in den jeweils überschaubaren Populationen ein Diskurs notwendig
ist.
Appadurai nennt in diesem Zusammenhang begründete Belege dafür, daß die Nationalstaaten
am Ende sind und ein „ethnonationalisme“ im Kommen ist (1996, S. 20–21). Es ist
die Regionalisierung, die in Zukunft verstärkt zu erwarten ist. Die Konzentration
auf kleinere soziale Einheiten als Folge der Öffnung nach allen Seiten, als Folge der
Grenzenlosigkeit, die durch die Globalisierung gegeben ist, stellt auch R. Schmidt (2000) fest.
Die Relativierung der eigenen Kultur verursacht eine Standortsuche und Rückbesinnung auf das
Eigene.
Ein weiteres Element der Gemeinsamkeit und Vertrautheit in der Musik
Ein gleichmäßiger, durchgehender rhythmischer Puls vermittelt gleichfalls das Gefühl, in das
gemeinsame Geschehen hineingenommen zu sein. Er muß dazu den physiologischen
Bedingungen (Puls 60 bis 80 pro Minute) genügen. Er löst angenehme Körpergefühle aus
(Karajan 1982), wenn er beim Dirigieren sich mit den Pulsationen (der Akzentstufen) des
Taktes synchronisiert. Der mitgedachte, mitgefühlte Puls der Musik hat offensichtlich eine
nachweisbare neurophysiologische Basis, die mit hoher Präzision den Takt schlägt. Raimund
Brix (1989) konnte in neuropsychologischen Studien zur Rhythmuswahrnehmung den Grundpuls
der Musik aus den EEG-Ableitungen der Hörer extrahieren.
Wenn sich ein in der Musik durchlaufender Akzent im Rahmen der physiologischen
Bedingungen bewegt, weckt er auch den Wunsch, den Körper im Rhythmus mitschwingen zu
lassen oder ihn tanzend dazu zu bewegen. Eine Kultur, die elementare Gefühlsäußerungen
zuläßt, nicht nur überformte und stilisierte Affektbewegungen fordert, wird den Menschen die
Chance eröffnen, ihrer Freude an rhythmischer Bewegung durch Tanzen oder andere
rhythmische Bewegungen Ausdruck zu verleihen.
Pulsierende Bewegung in der Musik ist somit ein Element, das es zu erhalten oder
wiederzugewinnen gilt, je nachdem, ob es in der eigenen Tanzkultur gepflegt oder unterdrückt
ist. Es ist somit ein Regulativ, vielleicht sogar ein Entscheidungsfaktor, wenn es darum geht, ob
und in welchem Umfang die nah- und fernöstlichen sowie die afrikanischen Kulturen die
westliche Popkultur in wesentlichen Bestandteilen oder ganz in ihre Musikformen
übernehmen.
Aus den bisherigen Betrachtungen folgt daher die These: je weniger die traditionelle Musik
dem durch den rasanten technischen Fortschritt veränderten Lebensgefühl des Menschen
entspricht, je weniger sie von ihrem Charakter her die Bedürfnisse nach Ausdruck und
Bewegung des Menschen erfüllt, desto mehr wird sie vollständig abgelegt. Um so mehr wird die
importierte Musikkultur dann unverändert übernommen und dementsprechend wird um so
weniger traditionell Eigenständiges in die importierte adaptierte Musik eingebracht. Umgekehrt
gilt, daß bei vielen intakten Lebensformen das Eigenständige so stark ist, daß es die
importierte Kultur zu prägen vermag. Hier finden wir die unverwechselbaren regionalen
Idiome.