- 10 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Michael Harenberg


Neue Musik durch neue Technik?


(...) die Exteriorisierung eines Maximums an Interiorisierung (...)

Luigi Nono


Abstract


Verglichen mit der Aufbruchstimmung in den 50er und 60er Jahren ist die Bilanz im Bereich Computermusik heute seltsam verzerrt. Zum einen hat sich eine Computerisierung vor allem im Unterhaltungssektor in unvorstellbarem Maße durchgesetzt, zum anderen sind ästhetische und programmatische Fragen, wie sie anfangs etwa bezogen auf Partitursynthese gestellt wurden, durch die rasende technologische Entwicklung in der elektronischen Klangerzeugung lange an den Rand gedrängt worden. Interessante Parallelen zur Entwicklung von Musikautomaten und frühen Elektrophonen lassen sich erkennen.

Nicht nur für den Philosophen Vilém Flusser stehen wir vor einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel, wie er sich u.a. in den Naturwissenschaften mit Einbruch der Chaosforschung bereits angedeutet hat.

Cyberspace und virtuelle Realitäten machen deutlich, daß in unserem Selbstverständnis als Subjekte in bezug auf eine objektive Welt Veränderungen stattgefunden haben. Schon ist die Rede auch von "Virtueller Musik". In der Tat kann sich der "Computer-Komponist" heute einer Vielzahl von Hilfsmitteln in Form von Hard- und Software bedienen, hörend komponieren, interaktiv mit seinen Algorithmen spielen. Traditionelle Verfahren werden damit grundsätzlich in Frage gestellt. Mit der universellen Manipulierbarkeit digitaler Daten, den immer näher rückenden Grenzen zu multimedialen Anwendungen treten grundsätzliche ästhetische Fragen, nicht nur in der zeitgenössischen Musik, wieder mehr in den Vordergrund.


Das Thema Neue Musik durch neue Technik? ist im Kontext der KlangArt '93 in vieler Hinsicht nicht unproblematisch. Beide Begriffe, die Neue Musik (in ihren verschiedenen Schreib- und damit Bedeutungsmöglichkeiten) und die neue Technik (mit ihrer klanglichen und gemeinten Nähe etwa zu den neuen Technologien) bieten sich an für vielfältige Erörterungen ganz verschiedener Art und Zuordnungsebenen.

So möchte ich zu Beginn eines interessanten Kongresses, auf dem viele Spezialisten zu zentralen Themen ausführlicher sprechen werden, einen größeren Bogen schlagen und auch

entferntere Wissenschaftsgebiete und vielleicht auf den ersten Blick exotisch anmutende Beispiele einbeziehen.

Wir leben in einer interessanten Umbruchperiode. Gesellschaften, Wertesysteme,

Erkenntniszusammenhänge ... - alles scheint in Frage zu stehen und einer verunsichernden Unübersichtlichkeit Platz zu machen. Antworten aus der letzten großen Umbruchperiode zu Anfang des Jahrhunderts, wie etwa in Walter Benjamins Das


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