- 302 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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der Lehrerausbildung in diesem Hause (damals eine PH) abgespielt haben, und die im weitesten Sinne sogar noch zur Vorgeschichte der KlangArt gehören.

Mitte der 60er Jahre tauchte bei Überlegungen zum Musikhören die Frage auf, ob und wie man Schülern Hilfen zum Verständnis dessen geben könnte, was sie gelegentlich in Radiosendungen zur Neuen Musik hörten und in der Regel gleich wieder abschalteten: elektronische Musik und musique concrète.

Es war sehr bald klar, daß nur eigene Experimente - "handlungsorientiert", wie man heute sagen würde - zu einem elementaren Verständnis führen konnten. Zudem mußten die notwendigen Geräte einfach zu beschaffen sein. Die Versuche fanden mit einem billigen Röhrengenerator und einem multiplayback-fähigen Tonbandgerät statt. Nach einer ausführlichen Spiel- und Experimentierphase kam es dann zu einfachen "Fingerübungen", die offensichtlich zum Verständnis der auf Schallplatten vorliegenden Kompositionen oder auch der immer häufiger zu hörenden Funktionsmusiken ("Weltraumklänge") beitrugen.

Aus diesen Anfängen entwickelte sich manches von dem, was es heute in diesem Hause gibt: eine vielfach erweiterte Gerätesammlung, die allerdings schon wieder über eine historische Abteilung analoger Geräte verfügt, wie z.B. die ersten - noch aus England importierten - Billigsynthesizer oder ein hunderttausend Mark teurer Großsynthesizer, und ein Ausbildungskonzept, das den Umgang und die Gestaltung mit musiktechnischen Geräten seit zwanzig Jahren verbindlich enthält.

Das eigentlich faszinierende an der "apparativen Praxis" war und ist, daß der in hohem Maße reproduktiv arbeitende Schulmusikstudent sehr schnell in die Lage kommt, seine Arbeitsergebnisse zu reflektieren und unter musikalischen Gesichtspunkten zu diskutieren und zu revidieren. "Unter musikalischen Gesichtspunkten" heißt hier zunächst: das dem musikalischen Ausbildungsstand entsprechende Repertoire musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten in das neue Medium zu übersetzen und anzupassen.

Tatsächlich habe ich die Diskussion musikalischer Abläufe selten so hautnah erlebt wie bei der Beobachtung von Arbeitsgruppen in der apparativen Ausbildung. Das reicht von der Kritik an technisch mangelhaften Passagen bis zur Diskussion ästhetischer Grundsatzfragen bei der Produktion. Gelänge es, Schülern und Studenten diese Kritikfähikeit zu erhalten, d.h. auch immer wieder: sie nicht zu Vollstreckern der Eigendynamik von Apparaten und Programmen werden zu lassen, dann würde sich der Umgang mit der produktiven Seite technischer Medien lohnen. Ob das eine weitere musikpädagogische Utopie ist, wird sich eines Tages erwiesen haben.


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