- 50 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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dieses Gebiet zu begeben und einige Programme zu schreiben, die sich denn zur Partitursynthese eignen mögen.

Zur Person sei ganz kurz vorausgeschickt: Ich bin von klein auf sehr interessiert gewesen an allem, was automatisch oder wenigstens mechanisch funktioniert, ob das nun Autos sind oder Schreibmaschinen, alles was in meine Jugenderfahrung hineinreicht. Später haben mich auf musikalischem Gebiet Musikformen gefesselt, die einen inneren Mechanismus ausspielen, etwa kanonartige Gebilde, Fugen und dergleichen. Später, nach dem Kriege, als es schon moderne oder Neue Musik gab, habe ich mehr oder weniger formalisierte Verfahren der musikalischen Komposition entwickelt, angeregt nicht zuletzt von der Zwölftontechnik, die dann noch erweitert und bestätigt wurden durch die sogenannten seriellen Verfahren. Was anfangs noch theoretische Spielerei war, die auch zu einigen frühen Kompositionen geführt hat, wurde dann sehr konkret im elektronischen Studio des Westdeutschen Rundfunks in Köln, wo Apparate zur Verfügung standen, mit denen musikalische Daten realisiert werden konnten. Ich sage absichtlich nicht Partituren, nicht einmal musikalische Ideen, aber doch musikalische Stationen auf dem Weg zur Partitursynthese mit Computern: elektronische und serielle Musik.

Das erste elektronische Studio war in seiner technischen Ausrüstung ja denkbar primitiv, wenn man etwa an den Sinustongenerator denkt, den man nur ein- und ausschalten konnte, oder an das Potentiometer zum Regeln der Lautstärke, schließlich auch an das Tonband und die Schere, um die rhythmischen Abstände zu schneiden. Viel mehr gab es am Anfang nicht, aber gerade in dieser Beschränktheit der Ausstattung, die es absolut unmöglich machte, musikalische Gedanken direkt zu äußern, wie das jemand tut, der sich ans Klavier setzt und die Tasten anschlägt oder die Knöpfe eines Synthesizers dreht, lag eine Herausforderung. Musik wurde nicht erfahren vom Standpunkt des Musikers, des Musikanten, auch nicht des Musiktheoretikers (denn Theoretiker im eigentlichen Sinne waren wir ja nicht, das sind wir erst der Not gehorchend geworden) - sondern vom Standpunkt dessen, der versucht, eine musikalische Idee zu realisieren. Wobei er mit dem Kopf durch die Wand muß, nämlich über alle Widerstände hinweg, die dieses erste Studio bot. Nur die Geräte des elektronischen Studios in einer Arbeitsumgebung, die der Westdeutsche Rundfunk zur Verfügung gestellt hatte, boten die Möglichkeit zur Realisierung von Ideen, die sich in der Instrumentalmusik nicht mehr realisieren ließen. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Klangfarbe.

Die Erfahrungen im Umgang mit den widerstrebenden Instrumenten fanden ihre theoretische Ergänzung im seriellen Denken, wie man das nannte. Es bot die Möglichkeit, mit den Apparaten, ihrer Bedienung, ihrer Verknüpfung etwas auszusagen, was selbst nicht technischer Natur war. Etwas auszudrücken, was auch nicht musikalischer Art im herkömmlichen Sinne war, keine thematische Durchführung oder dergleichen. Sondern etwas darüber auszusagen, wie die Apparate zusammengeschaltet werden und wie mit den Apparaten im einzelnen umgegangen werden muß. Dies ist eine Erweiterung des seriellen Denkens um die Umstände der musikalischen Produktion,


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