- 75 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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2. Warum ist Sphärenmusik harmonikal?


Pythagoras wollte eine Erklärung der Wirkung von Musik liefern, die in objektiven Eigenschaften der Welt begründet, die von jedem nachvollziehbar und die überprüfbar ist. Pythagoras wollte mit der schamanischen Wirkungserklärung von Musik Schluß machen.

Dane Rudhayr, Die Magie der Töne, München 1986 (original 1978), S. 55.


Johannes Kepler hingegen ist auf der Suche gewesen nach einem neuzeitlichen Beweis des christlichen Schöpfungsmythos. Er ging dabei von der Hypothese aus, daß Gott die Welt nach einem Plan geschaffen hat, der vom Menschen geistig nachvollzogen werden kann. Dieser Plan sollte, so die Zusatzhypothese, harmonikal sein.

Kepler geht in seinem Hauptwerk Harmonices Mundi die astronomischen Daten Tycho Brahes durch und verwirft alle, die auf keine harmonikalen Beziehungen führen: Abstände, Umlaufzeiten, durchschnittliche Bahngeschwindigkeiten usf. Zu den Umlaufzeiten der Planeten, die heute in der New-Age-Bewegung als Ausgangspunkt für Hans Coustos Stimmgabeltherapie, Joachim-Ernst Berendts Urton-Meditation, für Paiste-Planetengongs oder Andrzej Slawinskis fraktale Horoskopvertonungen verwendet werden, schreibt Kepler: Man sieht also, daß Gott der Schöpfer in die Umlaufzeiten die harmonischen Proportionen nicht hat einführen wollen.

Johannes Kepler, a.a.O., S. 296


Am Ende seiner fast lebenslangen Suche entdeckt Kepler, daß sich beim Vergleich der Geschwindigkeiten im sonnennächsten und sonnenfernsten Punkt der elliptischen Planetenbahnen harmonikale Beziehungen ergeben.


Das folgende Beispiel (siehe Abb. 1) bringt die auf diese Weise von Kepler errechneten Intervalle zu Gehör (genauer: ein Synthesizer wird mikrotonal auf die Kepler-Töne gestimmt und kann gespielt werden, wobei am Bildschirm Planet, Frequenz und Tonhöhe angezeigt werden).


Da Keplers Beweisführung ersichtlich nur Gläubige überzeugt - hart gesprochen handelt es sich um einen Zirkelschluß, freundlich ausgedrückt um einen "finalen Beweisgang"      

Rudolf Haase, Keplers Weltharmonik heute, Ahlersfeld 1989, S. 27


- ist die Frage ja nicht unerheblich, ob und wie mit den Kepler-Tönen sinnvoll komponiert werden kann. Das folgende Musikbeispiel (vgl. Abb. 2) versucht die Richtung einer bejahenden Antwort anzudeuten. Aus den für Kepler konstitutiven Intervallen eines jeden Planeten (Verhältnis von Aphel- zu Perihel-Geschwindigkeit) wurden musikalische Motive entwickelt, die abendländischen Attributionen dieser Planeten assoziativ nahekommen sollen:


          Tonbeispiel 1: "Keplers Harmonices"


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