- 104 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Filmbetrachter, der mit anderen Gewohnheiten aufgewachsen ist und einem anderen Kulturkreis als dem amerikanischen entstammt. Dennoch ist die Kameraführung und Montage an dieser Stelle nicht neutral: Durch den bewussten Kontrast der harmonischen Scheinwelt mit der bitteren, erlebten Realität des Flüchtlings verstärkt Malle das Gefühl der Befremdung, das sich beim Rezipienten einschleicht. Die Musik geht hier indirekt über bloße Milieuschilderung hinaus und verfährt dramaturgisch als Kontrastmittel. Gleichzeitig repräsentiert sie das traditionell ländliche Amerika, das auf konservative Werte aufbaut und den Anschein erweckt, ›narrow-minded‹ zu sein. Die oben analysierte Szene bedeutet für Ramasse auch ein Stück Zeitgeschichte: Er konstruiert das Wortspiel »Ame-Reagan Way of Life«.251
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Ebda. Diese Formulierung bezieht sich offensichtlich auf den Zeitpunkt der Dreharbeiten, da zum Zeitpunkt der Geschehnisse 1979–1981 noch der Demokrat James E. Carter das Präsidentenamt innehatte. Dennoch wird das politische Klima in den ländlichen Bezirken von Texas relativ unbeeinflusst von der Machtsituation im Weißen Haus geblieben sein.

  Fazit

Der Einsatz von Musik im Film Alamo Bay erfüllt im Wesentlichen folgende Funktionen: atmosphärische Untermalung und Stimmungseinfärbung diverser Szenen, Spannungserzeugung, Gewährleistung des authentisch-dokumentarischen Charakter einzelner Segmente und atmosphärischer und thematischer Zusammenhalt des Films durch Verwenden eines wiederkehrenden Themas.

Die musikalische Dramaturgie ist zwischen zwei (teilweise gegensätzlichen) Polen angesiedelt. Einerseits unterstützt sie, wie schon mehrmals bei anderen Filmen Malles herausgearbeitet, jene Dokumentarästhetik,252

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In Bezug auf die dokumentarischen Elemente des Films sei auf die Verwendung der verschiedenen Sprachen und Akzente hingewiesen. Margarita De la Vega-Hurtado weist auf die Supermarktszene (S 36–37) hin, deren Soundgestaltung sie als »almost [. . . ] inappropiate« für einen Spielfilm ansieht. Durch die Montage von vietnamesischen Hintergrundstimmen überträgt die Tonspur ihrer Meinung nach die multikulturelle Komplexität der Einwohnerschaft von Alamo Bay. Vgl. la Vega-Hurtado, Margarita De: A foreigner’s gaze: The American Films of Louis Malle. Doktorarbeit (Doctor of Philosophy, American Culture), University of Michigan 1992, S. 108. Ein ähnliches Beispiel für die (akustische) Schilderung der ethnischen Gruppe der Vietnamesen stellt Segment 12 dar, in dem Malle das Abendessen in der Kommune filmt, die Personen (Laiendarsteller) auf vietnamesisch sprechen lässt, jedoch keine Untertitel montiert. Damit verleiht er der Darstellung ein hohes Maß an Authentizität, stellt die Gruppe der Vietnamesen zugleich mit großer Würde und Respekt dar und vermittelt dem Zuschauer ein Gefühl des Eindringens in eine fremde Welt, das eine voyeuristische Seite hat.
die der Regisseur auf den Fiktionsfilm anwendet. Sowohl die hohe Anzahl von Takes im On, als auch der realistische Gebrauch von Musik in verschiedenen Situationen (Supermarkt, Bank, Bar, Auto etc.) belegen dieses. Andererseits führt der Einsatz der Musik im Off an einigen Stellen zu einer derartig eindeutigen atmosphärischen Einfärbung (zumeist Melancholie), dass die sonst oftmals von Malle präferierte Zweideutigkeit bzw. die seiner Dokumentarästhetik eigenen Neutralität aufgegeben wird. Gerade in den Takes 10 und 22 bedient sich Malle durch Zusammenspiel von Handlung, Farben und Musik einer sehr wirkungsorientierten Inszenierung, die zur Folge hat, dass der Filmbetrachter in eine entsprechende Richtung gelenkt wird. Die musikalischen Mittel erzeugen durch ihren Gestus in Verbindung mit den Bildern eine

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