- 110 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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tisch verbindet der A-Teil jeweils die unvermeidbare Trennung Juliens von einer Bezugsperson.

Während des Films erklingt an mehreren Stellen der B-Teil des Moment musical. Er fungiert als musikdramaturgisches Kennzeichen der Beziehung und Freundschaft von Julien und Jean. Das Verhältnis der beiden Jungen gestaltet sich zunächst schwierig. Julien ist von dem Neuling fasziniert, will sich dieses jedoch nicht anmerken lassen; gleichzeitig herrscht aber auch eine Rivalität zwischen den Jungen, da Jean ebenso wie Julien gute Leistungen in der Schule erbringt. Diese Rivalität tritt offen zutage, wenn beide Klavierunterricht bei Mlle. Davenne haben (Segment 16). Julien übt vergeblich den B-Teil des Schubert-Stücks und zeigt dabei wenig Talent. Jean spielt dagegen die gleiche Passage nahezu fehlerfrei fließend vom Blatt. Julien quittiert dieses mit dem Ausspruch »Quel lèche-cul!« (»Was für ein Arschkriecher!«). Die Musik, in Segment 16 noch vom Bild motiviert, wird im folgenden Segment (Klassenzimmer) im Off fortgeführt (T. 33–35). Jean erledigt seine Hausaufgaben. Die Musik verdeutlicht hier, dass Jean auch in anderen Fächern als im Klavierunterricht starke Fähigkeiten hat und für Julien eine Konkurrenz darstellt. Schmidt weist darauf hin, dass die Musik hier auf der Dominante (T. 35) endet, was ein Indiz für das Verhältnis der Jungen darstelle: »Das Klavierstück bleibt dramaturgisch-emotionale Klammer zwischen den Jungen, es verlängert sich bis ins Klassenzimmer, wo Bonnet einen Brief verliert, das Stück bleibt auf dem Dominantsept-Akkord stehen, die Spannung wird nicht aufgelöst, hier noch nicht.«267

267
Ebda.

Im folgenden Take zitiert Malle lediglich die Melodie des B-Teils (T. 18–23). Julien sinniert während des wöchentlichen Badens über die vergangene Klavierstunde nach. Dabei erklingt neben der stark verhallten Melodie der Kommentar Mlle Davennes im Off, er sollte ›es mit Violine versuchen‹. Dieser Traumzustand verdeutlicht, wie schwer Julien, der nie direkte Konkurrenz fürchten musste, es verwinden kann, dass Jean ihm in einigen Bereichen überlegen ist. Diese Konkurrenz manifestiert sich schließlich offen im Klassenzimmer, wenn abermals der Melodieausschnitt zitiert wird, der bereits in Segment 17 erklang (T. 33–35) und der Französischlehrer M. Tinchaut sagt: »Bonnet, je vous ai mis treize et demi. Bon travail. Sensible et bien écrit. Quentin, vous allez avoir de la compétition.«268

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Malle, Louis: Au revoir, les enfants. Paris: Gallimard 1987, S. 73 (»Bonnet, ich habe Ihnen dreizehneinhalb Punkte gegeben. Gute Arbeit. Gefühlvoll und gut geschrieben. Quentin, Sie werden Konkurrenz bekommen.«)
Erneut endet die Musik auf der Dominante; die Spannung bleibt folglich bestehen, wird sogar durch den Ausspruch des Lehrers und durch die Kameraführung (intensiver Blickkontakt Julien-Jean, Schuss/Gegenschuss) intensiviert.

Im Folgenden wird deutlich, dass sich Julien in zunehmendem Maße für seinen Mitschüler Jean interessiert. Er sucht die Kerzen, die Jean in der vorherigen Nacht während eines Gebets angezündet hatte. Während er unter Jeans Kopfkissen nachschaut, erklingt abermals ein Melodieausschnitt (T. 26–28). Dieses Zitat endet auf der Subdominante mit hinzugefügter Sexte (sixt ajouté), welche im Gegensatz zu der in den vorherigen Beispielen verwendeten Dominantspannung eine neue Ausdrucksqualität beinhaltet: Die anfängliche Rivalitätsspannung weicht nun


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