des
Eingeschlossenseins und die Enge des Raumes (Fahrstuhl) an einen Film Bressons
erinnert, bei dem Malle für kurze Zeit Regieassistenz führte: Un condamné de mort s’est
échappé (F 1956). »Der Widerspruch lag darin, daß ich zwar ein großer Bewunderer von
Bresson war und es mich trotzdem reizte, einen Hitchcock-artigen Film zu
machen. FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT hat etwas, das zwischen beidem
oszilliert.«22
Malle in French, Philip: Louis Malle über Louis Malle. Berlin: Alexander 1998, S. 36
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Prédal spricht in diesem Zusammenhang von einem ›erstaunlichem Klassizismus‹:
»Chacun [Bresson und Hitchcock] loua l’étonnant classicisme de ce
premier film prenant peu de libertés d’écriture malgré le jeune âge de son
auteur.«23
Prédal, René: Louis Malle. Paris: Edilig 1989, S. 16 (»Beide verliehen diesem ersten Film
einen erstaunlichen Klassizismus, der sich trotz des jungen Alters seines Schöpfers nur wenige
Freiheiten in der Filmsprache herausnahm.«)
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Blieb Malle stilistisch seinen Vorbildern verpflichtet, so versuchte er dennoch
einige zeitgenössische Aspekte im Film darzustellen, die einen gewissen
Modernitätsanspruch erfüllen sollten. Neben der Porträtierung einer »neue[n]
Generation«24
Malle in French (1998), S. 36
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(die beiden Jugendlichen Louis und Véronique, das naive und parodistische Pendant
zur großen Liebe zwischen Florence und Julien, fungieren als Vertreter der
blousons noirs, den damaligen Jugendlichen aus den Vorstädten), dienen vor
allem Objekte und Gebäude als Indizien dafür, dass sich Malle bewusst von den
Darstellungen älterer Regisseure abheben wollte: »Traditionellerweise war es immer das
René-Clair-Paris gewesen, das im französischen Film dargestellt wurde, und
ich legte großen Wert darauf, eines der ersten modernen Gebäude in Paris zu
zeigen.«
Weitere Objekte, die diese Modernität vermitteln, sind das Motel, amerikanische und
deutsche Autos, elektrische Anspitzer und die Miniaturkamera, die letztendlich zur
Verhaftung der Täter führt. In der Kritik des Films in Positif wird dieser Aspekt denn
auch als neu herausgestellt:
»Le goût manifeste pour les beaux objets polis de la vie moderne, ces objets,
voiture, taille-crayons, ascenseurs qui peuvent devenir menaçants, être des
indices, cacher le bruit d’un coup de feu, retarder un rendez-vous, tout cela est
jeune et plaisant.«25
o. V.: »Ascenseur pour l’échafaud«. In: Positif 28 (4/58), S. 56 (»Der
offenkundige Geschmack für die schönen, glatten Dinge des modernen Lebens,
diese Objekte, Autos, Bleistiftanspitzer, Fahrstühle, die bedrohlich und zu
Indizen werden können, die das Geräusch eines Schusses übertönen, die eine
Verabredung verspäten lassen, all das ist jung und witzig.«)
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Die hier angesprochenen Gefahren und Versuchungen, die in den modernen Objekten lauert,
sind von Malle bewusst eingesetzt worden: »Ich zeigte ein Paris, nicht das der Zukunft, doch
zumindest eine moderne Stadt, eine bis zu einem gewissen Grad bereits entmenschlichte
Welt.«26
Malle in French (1998), S. 38
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Dieses Zitat birgt den Schlüssel für die Atmosphäre des Films, die von den ersten
Einstellungen an einen Pessimismus vermittelt und das Scheitern der Protagonisten
bereits frühzeitig ankündigt. Dieses Scheitern ist aber auch ein Zeichen für die
existentialistischen Tendenzen des Films: die von Florence zu Beginn des Films proklamierte
erhoffte Freiheit (›nous serons libre, libre, Julien‹) bleibt ein Trugbild, da jeder für seine
Handlungen verantwortlich ist und es aus den Folgen dieser Handlungen kein Entkommen
gibt.27
Vgl. Sartre, Jean-Paul: Dramen II. Bei geschlossenen Türen/Tote ohne Begräbnis/Die
ehrbare Dirne. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1965. Sartre zeigt in dem Theaterstück Bei
geschlossenen Türen (org. Huis clos) die Unmöglichkeit des Entkommens von begangener
Schuld auf, da die Mitmenschen wie ein Spiegel fungieren und den Personen ihre Taten
aufzeigen. Interessanterweise war der Mitautor des Buches, Roger Nimier, keinesfalls ein
Anhänger existentialistischer Strömungen, sondern politisch eher rechts gerichtet; »er
reagierte gegen die Linke der Nachkriegszeit, die in Frankreich große Macht hatte [. . . ], die
Anhänger von Sartre und Camus«. (Malle in French (1998), S. 32)
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