- 12 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (11)Nächste Seite (13) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

des Eingeschlossenseins und die Enge des Raumes (Fahrstuhl) an einen Film Bressons erinnert, bei dem Malle für kurze Zeit Regieassistenz führte: Un condamné de mort s’est échappé (F 1956). »Der Widerspruch lag darin, daß ich zwar ein großer Bewunderer von Bresson war und es mich trotzdem reizte, einen Hitchcock-artigen Film zu machen. FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT hat etwas, das zwischen beidem oszilliert.«22
22
Malle in French, Philip: Louis Malle über Louis Malle. Berlin: Alexander 1998, S. 36
Prédal spricht in diesem Zusammenhang von einem ›erstaunlichem Klassizismus‹: »Chacun [Bresson und Hitchcock] loua l’étonnant classicisme de ce premier film prenant peu de libertés d’écriture malgré le jeune âge de son auteur.«23
23
Prédal, René: Louis Malle. Paris: Edilig 1989, S. 16 (»Beide verliehen diesem ersten Film einen erstaunlichen Klassizismus, der sich trotz des jungen Alters seines Schöpfers nur wenige Freiheiten in der Filmsprache herausnahm.«)

Blieb Malle stilistisch seinen Vorbildern verpflichtet, so versuchte er dennoch einige zeitgenössische Aspekte im Film darzustellen, die einen gewissen Modernitätsanspruch erfüllen sollten. Neben der Porträtierung einer »neue[n] Generation«24

24
Malle in French (1998), S. 36
(die beiden Jugendlichen Louis und Véronique, das naive und parodistische Pendant zur großen Liebe zwischen Florence und Julien, fungieren als Vertreter der blousons noirs, den damaligen Jugendlichen aus den Vorstädten), dienen vor allem Objekte und Gebäude als Indizien dafür, dass sich Malle bewusst von den Darstellungen älterer Regisseure abheben wollte: »Traditionellerweise war es immer das René-Clair-Paris gewesen, das im französischen Film dargestellt wurde, und ich legte großen Wert darauf, eines der ersten modernen Gebäude in Paris zu zeigen.«

Weitere Objekte, die diese Modernität vermitteln, sind das Motel, amerikanische und deutsche Autos, elektrische Anspitzer und die Miniaturkamera, die letztendlich zur Verhaftung der Täter führt. In der Kritik des Films in Positif wird dieser Aspekt denn auch als neu herausgestellt:

»Le goût manifeste pour les beaux objets polis de la vie moderne, ces objets, voiture, taille-crayons, ascenseurs qui peuvent devenir menaçants, être des indices, cacher le bruit d’un coup de feu, retarder un rendez-vous, tout cela est jeune et plaisant.«25

25
o. V.: »Ascenseur pour l’échafaud«. In: Positif  28 (4/58), S. 56 (»Der offenkundige Geschmack für die schönen, glatten Dinge des modernen Lebens, diese Objekte, Autos, Bleistiftanspitzer, Fahrstühle, die bedrohlich und zu Indizen werden können, die das Geräusch eines Schusses übertönen, die eine Verabredung verspäten lassen, all das ist jung und witzig.«)

Die hier angesprochenen Gefahren und Versuchungen, die in den modernen Objekten lauert, sind von Malle bewusst eingesetzt worden: »Ich zeigte ein Paris, nicht das der Zukunft, doch zumindest eine moderne Stadt, eine bis zu einem gewissen Grad bereits entmenschlichte Welt.«26

26
Malle in French (1998), S. 38
Dieses Zitat birgt den Schlüssel für die Atmosphäre des Films, die von den ersten Einstellungen an einen Pessimismus vermittelt und das Scheitern der Protagonisten bereits frühzeitig ankündigt. Dieses Scheitern ist aber auch ein Zeichen für die existentialistischen Tendenzen des Films: die von Florence zu Beginn des Films proklamierte erhoffte Freiheit (›nous serons libre, libre, Julien‹) bleibt ein Trugbild, da jeder für seine Handlungen verantwortlich ist und es aus den Folgen dieser Handlungen kein Entkommen gibt.27
27
Vgl. Sartre, Jean-Paul: Dramen II. Bei geschlossenen Türen/Tote ohne Begräbnis/Die ehrbare Dirne. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1965. Sartre zeigt in dem Theaterstück Bei geschlossenen Türen (org. Huis clos) die Unmöglichkeit des Entkommens von begangener Schuld auf, da die Mitmenschen wie ein Spiegel fungieren und den Personen ihre Taten aufzeigen. Interessanterweise war der Mitautor des Buches, Roger Nimier, keinesfalls ein Anhänger existentialistischer Strömungen, sondern politisch eher rechts gerichtet; »er reagierte gegen die Linke der Nachkriegszeit, die in Frankreich große Macht hatte [. . . ], die Anhänger von Sartre und Camus«. (Malle in French (1998), S. 32)


Erste Seite (i) Vorherige Seite (11)Nächste Seite (13) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 12 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?"