- 123 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Grappellis Musik hat an dieser Grundatmosphäre des Films einen großen Anteil. Nie wirkt sie verletzend oder bloßstellend. Trotz der Ironie, die sich aus dem Zusammenwirken von Bild und Ton ergibt, vermag die Musik durch ihre herzlich-heitere Stimmung und die Jazztonsprache (Swing-Gestus, Blue notes etc.) die Vorgänge und Ereignisse zu relativieren und zu entdramatisieren, so dass zu jedem Zeitpunkt deutlich ist, dass es zu keinerlei Klassenkampf oder blutigen Auseinandersetzungen kommen wird.

Claude Debussy: Général Lavine ›eccentric‹ / Wolfgang Amadeus Mozart: Voi che sapete

Anhand der folgenden Beispiele lässt sich erneut die kommentierende Funktion der Musik im Film belegen. In beiden Fällen handelt es sich um präexistente Musik, deren Inhalt Bezug auf die Szenen und auf die Personen nimmt. Die Musik wird jeweils von Claire am Klavier dargeboten, wobei sie im zweiten Fall Camille begleitet, die die Mozart-Arie singt.

Zunächst soll der Inhalt der Stücke bzw. außermusikalische Kontexte, die mit ihnen verbunden sind, aufgezeigt werden. Anschließend wird geprüft, inwieweit sich schlüssige Verbindungen zwischen Bildinhalt und Musik ziehen lassen.

Die Debussy-Komposition hat keinen konkreten Titel, der dem Stück überschrieben ist, sondern ein Motto, welches sich am Ende des Notentextes befindet. Dieses weist auf die Tatsache hin, dass der Komponist den Spieler nicht durch eine inhaltliche Vorgabe beeinflussen wollte, sondern durch eine kleine Anmerkung am Ende eine Begebenheit oder eine Idee andeuten wollte, die zur Komposition den Anstoß gab. Debussy wurde im Falle des vorliegenden Préludes vom amerikanischen Clown und Zirkusdirektor Général Edward LaVine angeregt, der im Pariser Théâtre Marigny auftrat und den Musiker begeisterte. Verschiedene musikalische Mittel deuten auf Elemente aus der Zirkuswelt bzw. auf clowneske Verrenkungen hin, so die Einleitungstakte (T. 1–10), die wie eine Fanfare anmuten, die starken dynamischen Unterschiede auf kleinstem Raum oder die großen Sprünge (T.10/18). Auch wenn es sich bei dem Prélude nicht um Programmmusik im Sinne von Liszts oder Berlioz‘ symphonischen Dichtungen handelt, kann es doch als eine Art musikalisches Porträt des Zirkusclowns angesehen werden.

Inwiefern hat dieser Umstand einen Zusammenhang mit dem Bildinhalt? Malle montiert das Prélude zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Familienmitglieder mit der veränderten Situation arrangieren: Die Verstorbene kann nicht beerdigt werden, man sitzt auf dem Gut fest; so vertreibt man sich die Zeit anderweitig. Während Georges sich das Radio auf die Terrasse holt und sich in der Sonne entspannt, sitzt Pierre-Alain mit Marie-Laure und Lily unter dem Kirschbaum und zeigt stolz seine Wunden, die er aus den Straßenkrawallen in Paris davongetragen hat. Im Gegensatz zur allgemein entspannten Gemütsverfassung steht Claire, die Klavier spielt. Sie ist eifersüchtig auf ihren Cousin, der im Begriff ist, ihr die Liebhaberin auszuspannen, und zeigt dieses sowohl mimisch als auch gestisch, indem sie die Tasten teilweise mit übertriebener Härte anschlägt. Gesetzt den Fall, dass sie mit ihrem Klavierspiel eine Botschaft bzw. ihre seelische Verfassung übermitteln will, lässt sich


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