Stephen
Nachdem Anna und Stephen sich zum ersten Mal auf dem Empfang treffen (Segment 7)
und intensiven Blickkontakt haben, ertönt das Stück Stephen, ein zwölftaktiges
Cello-Thema, dessen charakteristisches Merkmal die chromatischen Achtelabschnitte im
3/8-Takt sind.
Die ersten sechs Takte sind vom kontinuierlichen Wechsel der Molltonika
(a-moll) und der entsprechenden Dominante (E7) geprägt, bis in
Takt 7 eine Quintfallsequenz mit leitereigenen Tönen zu beginnen
scheint,315
Vgl. Johannes Brahms op. 117, Nr. 2. In diesem Intermezzo findet sich eine vergleichbare
harmonische Entwicklung in den Takten 2–4. Das Stück steht in b-moll. In Takt 2 setzt die
Quintfallsequenz mit b-moll7 ein, worauf es-moll7 folgt. Entsprechend erklingt anschließend
As7 gefolgt von Des mit großer Septe. Der Ausdruckscharakter dieses Intermezzo kann mit
melancholisch-resignativ beschrieben werden, Brahms selber nannte die drei in Opus 117
zusammengefassten Intermezzi ›Wiegenlieder meiner Schmerzen‹. Auch wenn die kurzen
Motive Preisners nicht mit dem feinen Klaviersatz und der harmonischen Komplexität des
Brahms-Stück zu vergleichen ist, ähnelt sich dennoch die Stimmung der beiden Stücke, gerade
durch die Verwendung der barocken Quintfallsequenz.
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welche allerdings nach drei Takten wieder in einen DV mündet, an den sich eine
Wiederholung der Takte 2–3 anschließt, die die Phrase beenden. Auch hier schließt sich
der (harmonische und motivische) Kreis (vgl. oben)! Die Musik führt auf sich
selbst zurück und bewirkt durch den Abschluss auf einer Dominante (E) ein
(in dieser tonalen Musik) automatisches Erwarten der Molltonika, die jedoch
ausgespart wird. Die Musik wird an dieser Stelle mit einer inneren Stimme Stephens
assoziiert, der nach der Begegnung mit Anna nicht mehr dem Smalltalk seines
Kollegen Donald zuzuhören scheint, sondern nur noch Augen für die Freundin
seines Sohnes hat. Neben der Melancholie, die aus der Harmonik des Stückes
herausspricht, sind vor allem der Vorhalt (T. 1), die Halbtonschritte (T. 2,
3, 9) und der Tritonus in relativ hoher Lage (T. 10) Zeichen für eine innere
Spannung des Protagonisten und konstituieren den klagenden Charakter des
Stückes.
Stephen begleitet die zugeordnete Person in verschiedenen Situationen des Films, so in
dessen Zimmer im Pariser Hotel, während der nächtlichen Zusammenkunft mit Anna auf
dem Landsitz seines Schwiegervaters und bei Entdecken von Annas geheimer Wohnung.
In allen Fällen repräsentiert die Musik sein Verlangen und seine Sehnsucht nach
ungestörtem Glück mit Anna.
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