- 162 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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die Kamera verweilt in einer einzigen Einstellung (55 sec) auf einem kleinen Jungen, der versucht Fahrrad zu fahren. Dazu gibt die Off-Stimme Einführungen in die Landeskunde. An dieser Stelle wirkt die visuelle Fokussierung auf ein einzelnes Subjekt kontrapunktisch zur Tonebene. Die Aufmerksamkeit des Filmbetrachters schwankt zwischen den auditiven landeskundlichen Informationen und der sich im Bild stellenden Frage, ob es dem Jungen nach zahlreichen vergeblichen Versuchen endlich gelingt, auf das Fahrrad zu steigen. Damit haftet den Informationen etwas Unwichtiges an – sie scheinen dem Regisseur nicht wirklich wichtig zu sein. An anderer Stelle reiht die Off-Stimme verschiedene Aspekte in einem Satz aneinander, die in keinem Zusammenhang zu stehen scheinen, während im Bild alte Frauen gezeigt werden: »L’opium est interdit depuis trois ans, il n’y a pas d’analphabétisme, les paysans ne s’intéressent pas à la politique, ils sont en général endettés; les vieilles femmes mâchent du bétel.«400
400
»Opium ist seit drei Jahren verboten, es gibt keinen Analphabetismus, die Bauern interessieren sich nicht für Politik, sie sind in der Regel verschuldet; die alten Frauen kauen Betel.«

Aus dieser lakonisch-desinteressiert vorgetragenen Informations-Mixtur spricht eine gewisse Indifferenz und eine Ironie, die jene Reportagen persifliert, in denen möglichst viele verschiedene Informationen auf engem (zeitlichen) Raum zusammengetragen werden.

Diese beiden Beispiele demonstrieren die Rolle der Off-Stimme im Film. Sie setzt durch ihre Artikulation und durch die Auswahl der gelieferten Informationen ironische Kontrapunkte zu den Bildern. So werden gleichzeitig eine Distanz gegenüber westlichem Einfluss (z. B. Touristen) und regimekritische Töne deutlich. In Bezug auf die Touristen wird erklärt: »La Thailande est très appréciée des visiteurs occidentaux. Ils y trouvent de la couleur locale, des hôtels air-conditionnés, un gouvernement qui combat activement le communisme.«401

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»Thailand ist bei westlichen Touristen sehr beliebt. Sie finden dort Lokalkolorit, Hotels mit Klimaanlage und eine Regierung, die aktiv den Kommunismus bekämpft.«
Zu den Fernsehsendern weiß die Stimme zu berichten: »Une chaîne appartient au gouvernement, l’autre à l’armée. Bientôt la police aura la sienne. Elle sera en couleur.«402
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»Ein Programm gehört der Regierung, das andere der Armee. Bald wird auch die Polizei ein eigenes Programm bekommen; es wird in Farbe sein.«
Spielt das erste Zitat offensichtlich vor allem auf amerikanische Touristen an (der ›aktive Kampf gegen den Kommunismus‹ und der westliche Lebensstandard der Hotels mit Klimaanlage), richtet sich das zweite indirekt gegen die Verstaatlichung der Medien und die seit dem Militärputsch 1947 eingerichtete Militärdiktatur. Die Präsenz des westlichen Einflusses, der sich vor allem im Einsatz der Musik manifestiert (s. u.), gipfelt im desillusionierenden Fazit am Ende des Films: »L’exotisme n’existe plus, c’est une invention des voyageurs, qui ne veulent pas rentrer avec des valises vides.«403
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»Die Exotik existiert nicht mehr. Er ist eine Erfindung der Touristen, die nicht mit leeren Händen nach Hause kommen möchten.«
Anstelle eines schmackhaften Reisefilms gerät der Film somit zu einer trockenen Zustandsbeschreibung des Landes, die den Schein des exotischen Flairs aufdeckt und hinter die Fassade blickt.

Die im Film verwendete Musik setzt sich aus fernöstlichen Musikstücken einerseits und vom westlichen Beat beeinflussten Rockstücken andererseits zusammen,


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