- 161 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (160)Nächste Seite (162) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Dennoch ist der Film nicht als eine Kritik an der Tour und dem Hochleistungssport zu sehen. Und Rollet missversteht den Film, wenn er in ihm eine Anklage sieht.397

397
Vgl. Rollet (1977a), S. 9 »[. . . ] watching this film, as the many entrants are worn away to those few whose training and determination have singled them out as world class racers, one must wonder if any amount of fame or financial reward would compensate for the torture of this sport.«
Malle zeigt lediglich die Härte und teilweise auch Unmenschlichkeit des Radsports, wobei die Kamera mitunter sehr voyeuristisch verfährt, indem sie darauf zu lauern scheint, dass die Fahrer die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit überschreiten. Eine mahnende oder moralisierende Botschaft enthält der Film jedoch nicht.

  Bons baisers de Bangkok

Bons baisers de Bangkok ist ein Dokumentarfilm, den Malle für das französische Fernsehen drehte und der nicht von seiner Firma Nouvelles Editions de Films, sondern vom ORTF für die Fernsehreihe Cinq colonnes à la une produziert wurde. Nachdem Malle zunächst eine Woche in Saigon, Vietnam, verbrachte (kurz nach dem Attentat auf den Ministerpräsidenten Diem 1963), sich aber bewusst wurde, dass aktuelle journalistische Reportagen nicht seinem Arbeitsrhythmus entsprachen, ging er aus Trotz ins benachbarte ruhige Thailand.398

398
Vgl. Malle in Mallecot (1978), S. 21 f.: »J’avais commencé par passer une semaine à Saigon avec une équipe de la Télé, juste après l’assassinat de Diem. La ville regorgeait de journalistes qui s’agitaient comme des fous. Je me suis aperçu que le reportage à chaud, ce n’est pas du tout mon métier. Il me faut du recul, de la distance. Alors, par défi, j’ai quitté le Vietnam en pleine ébullion, pour aller à côté, en Thailande où il ne se passait rien.« (»Zuerst war ich eine Woche in Saigon mit einem Fernsehteam gerade nach dem Attentat auf Diem. Die Stadt war voll von Journalisten, die sich wie Verrückte benahmen. Ich wurde mir klar darüber, dass die ›heiße‹ Reportage nicht mein Job war. Ich brauche Abstand und Entfernung. Also verließ ich aus Trotz das sich mitten im Aufruhr befindende Vietnam und ging nach Thailand, wo sich gar nichts ereignete.«)
Die Intention, die er mit seinem Film hatte, umreißt er recht klar: »Pendant un mois, j’ai fait un anti-reportage, un pastiche de ce genre d’émission où l’on vous dit: ›On va tout vous expliquer sur tel pays en quinze minutes!‹«399
399
Ebda., S. 22 (»Während eines Monats habe ich eine Anti-Reportage gedreht, einen Abklatsch von dieser Art Sendung, wo sie einem sagen: ›Man wird Ihnen alles über dieses Land in 15 Minuten erklären.‹«)

Somit stellte der Film eine Kritik an einem bestimmten Genre von Reportage dar. Gleichzeitig wird bereits zu diesem Zeitpunkt eine Haltung Malles deutlich, die auch die späteren Indien-Dokumentationen bestimmen wird: jene Einsicht, dass es unmöglich ist, ein komplexes Thema wie die Präsentation eines Landes in einem engen Zeitrahmen zu bewerkstelligen.

In ca. dreißig Minuten Film zeigt Malle verschiedene Aspekte aus Politik, Kultur und Gesellschaft. Er berührt das Arbeitsleben, indem er Reisträger und Hafenarbeiter filmt, zeigt eine offizielle Militärparade zu Ehren des Königs, streift die Nationalreligion des Landes, den Buddhismus, und berichtet vom Nachtleben Bangkoks. Dabei folgt er keiner offensichtlichen Struktur, sondern reiht vielmehr die einzelnen Themenkomplexe in lockerer Abfolge aneinander. An mehreren Stellen wird die ironische Grundhaltung des Regisseurs deutlich, die der Absicht entspricht, eine ›Anti-Reportage‹ zu machen. Im ersten Segment findet sich ein solches Beispiel:


Erste Seite (i) Vorherige Seite (160)Nächste Seite (162) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 161 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?"