Dennoch ist der Film nicht als eine Kritik an der Tour und dem Hochleistungssport zu
sehen. Und Rollet missversteht den Film, wenn er in ihm eine Anklage
sieht.397
Vgl. Rollet (1977a), S. 9 »[. . . ] watching this film, as the many entrants are worn away to
those few whose training and determination have singled them out as world class racers, one
must wonder if any amount of fame or financial reward would compensate for the torture of
this sport.«
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Malle zeigt lediglich die Härte und teilweise auch Unmenschlichkeit des Radsports, wobei
die Kamera mitunter sehr voyeuristisch verfährt, indem sie darauf zu lauern scheint, dass
die Fahrer die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit überschreiten. Eine mahnende oder
moralisierende Botschaft enthält der Film jedoch nicht.
Bons baisers de Bangkok
Bons baisers de Bangkok ist ein Dokumentarfilm, den Malle für das französische
Fernsehen drehte und der nicht von seiner Firma Nouvelles Editions de Films,
sondern vom ORTF für die Fernsehreihe Cinq colonnes à la une produziert
wurde. Nachdem Malle zunächst eine Woche in Saigon, Vietnam, verbrachte
(kurz nach dem Attentat auf den Ministerpräsidenten Diem 1963), sich
aber bewusst wurde, dass aktuelle journalistische Reportagen nicht seinem
Arbeitsrhythmus entsprachen, ging er aus Trotz ins benachbarte ruhige
Thailand.398
Vgl. Malle in Mallecot (1978), S. 21 f.: »J’avais commencé par passer une semaine à Saigon
avec une équipe de la Télé, juste après l’assassinat de Diem. La ville regorgeait de journalistes
qui s’agitaient comme des fous. Je me suis aperçu que le reportage à chaud, ce n’est pas du
tout mon métier. Il me faut du recul, de la distance. Alors, par défi, j’ai quitté le Vietnam en
pleine ébullion, pour aller à côté, en Thailande où il ne se passait rien.« (»Zuerst war ich eine
Woche in Saigon mit einem Fernsehteam gerade nach dem Attentat auf Diem. Die Stadt war
voll von Journalisten, die sich wie Verrückte benahmen. Ich wurde mir klar darüber, dass die
›heiße‹ Reportage nicht mein Job war. Ich brauche Abstand und Entfernung. Also verließ
ich aus Trotz das sich mitten im Aufruhr befindende Vietnam und ging nach Thailand, wo
sich gar nichts ereignete.«)
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Die Intention, die er mit seinem Film hatte, umreißt er recht klar: »Pendant
un mois, j’ai fait un anti-reportage, un pastiche de ce genre d’émission
où l’on vous dit: ›On va tout vous expliquer sur tel pays en quinze
minutes!‹«399
Ebda., S. 22 (»Während eines Monats habe ich eine Anti-Reportage gedreht, einen Abklatsch
von dieser Art Sendung, wo sie einem sagen: ›Man wird Ihnen alles über dieses Land in 15
Minuten erklären.‹«)
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Somit stellte der Film eine Kritik an einem bestimmten Genre von Reportage dar.
Gleichzeitig wird bereits zu diesem Zeitpunkt eine Haltung Malles deutlich, die auch die
späteren Indien-Dokumentationen bestimmen wird: jene Einsicht, dass es unmöglich ist,
ein komplexes Thema wie die Präsentation eines Landes in einem engen Zeitrahmen zu
bewerkstelligen.
In ca. dreißig Minuten Film zeigt Malle verschiedene Aspekte aus Politik,
Kultur und Gesellschaft. Er berührt das Arbeitsleben, indem er Reisträger und
Hafenarbeiter filmt, zeigt eine offizielle Militärparade zu Ehren des Königs,
streift die Nationalreligion des Landes, den Buddhismus, und berichtet vom
Nachtleben Bangkoks. Dabei folgt er keiner offensichtlichen Struktur, sondern reiht
vielmehr die einzelnen Themenkomplexe in lockerer Abfolge aneinander. An
mehreren Stellen wird die ironische Grundhaltung des Regisseurs deutlich, die der
Absicht entspricht, eine ›Anti-Reportage‹ zu machen. Im ersten Segment findet
sich ein solches Beispiel:
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