- 18 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (17)Nächste Seite (19) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

das unreflektierte und cholerische Verhalten Louis‘ und der daraus resultierenden Katastrophe bestätigt). In den folgenden Takes (7, 8) kontrastiert der Gestus der Musik mit der Einstellungslänge, die relativ lang ist (E 158=39,2 sec/E 160=49,3 sec). Neben der Illustrierung der inneren Handlung, der psychischen Befindlichkeit von Louis, der sich vom patriarchalischen Auftreten des Deutschen Bencker verunsichert fühlt und zudem durch dessen Reichtum geblendet ist, erfüllt die Musik die Funktion des Kommentars; sie scheint sich in E 160 über den naiven Louis lustig zu machen (der auf eine Flunkerei Benckers hereinfällt), indem die Trompete kurze Phrasen spielt, die den Zuhörer an ein Auslachen erinnern lassen.

Kategorie d) An drei Stellen montiert Malle Fragmente, die sich durch das Fehlen der Trompete auszeichnen und in denen in erster Linie der Kontrabass eingesetzt wird. Take 14 ist nicht auf der Soundtrack-CD verzeichnet, es dient der Untermalung des Verhörs. Die anderen beiden Stücke Visite du vigile und Evasion de Julien dienen der Spannungsgestaltung. Die Musik ist bei Visite du vigile nach dem Schnitt gerichtet, sie korrespondiert mit der Entwicklung der Handlung, die beschreibt, wie der Nachtwächter bei seiner Runde durch das Bürohaus die Schlüssel verliert und das Licht einschalten muss, um diese wiederzufinden. Dazu schaltet er den Strom ein, worauf sich der Fahrstuhl, unter dem Julien hängt, nach unten bewegt. Pierre Michelot am Kontrabass bedient sich vor allem der flatted fifth (as), um die bedrohlich-unheimliche Situation zu vertonen. Er gestaltet die Steigerung ebenfalls dadurch, dass er die Bassfiguren in zunehmendem Maße verdichtet. Das Schlagzeug unterstützt durch atmosphärische Tremoli und plazierte Akzente des crash-Beckens.

Die Rolle der übrigen Musik

Außer den Miles Davis-Improvisationen werden noch andere Stücke im Film montiert. Neben einer Barmusik (Take 5) und einer Klavierübung (Take 15), die den Ort und das Milieu kennzeichnen,40

40
Hans-Christian Schmidt hat ausführlich auf die Verweiskraft der Klaviermusik (Für Elise) im Film Rosemary’s Baby (USA 1968; R: Roman Polanski) in Bezug auf ein Milieu hingewiesen. An dieser Stelle sei lediglich der Literaturverweis angeführt. Vgl. Schmidt, Hans-Christian (1976b): »Wesensmerkmale und dramaturgische Funktionen der Musik in Roman Polanskis Film ›Rosemaries Baby‹ (1968)«. In: Schmidt (1976a), S. 250–275
verwendet Malle den zweiten Satz aus dem Streichquartett F-dur op. 3, 5 von Joseph Haydn, die sogenannte ›Serenade‹. Louis und Véronique beschließen sich umzubringen, nachdem sie Véroniques Zimmer aufgesucht haben und ihre Lage als aussichtslos erkennen. Um sich das Abtreten zu erleichtern und um den romantisch-verklärten Freitod in wohlklingender Idylle akustisch zu vervollständigen, wählt Véronique die leicht zugängliche Spieluhrenmusik. Dabei lassen ihre Kommentare ihre naiv-heroischen Vorstellungen erkennen: sie stellt sich bereits vor, wie man ihre Leichen finden und die Musik noch spielen werde. Somit erhofft sie sich wenigstens im Tod einmal die Beachtung zu erlangen, die sonst lediglich den Reichen und Berühmten vorbehalten ist – eben jenem Milieu, in denen sie und ihr Freund gescheitert sind. Hier erklärt sich der Kontrast, der zwischen dem Hard Bop und dem Streichquartett besteht: kennzeichnet das


Erste Seite (i) Vorherige Seite (17)Nächste Seite (19) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 18 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?"