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Massenpublikum, welches nach Ende des Zweiten Weltkriegs Zerstreuung und Unterhaltung suchte, wandte sich ab und fand Zuflucht bei den lateinamerikanischen Tänzen wie Mambo, Cha-Cha-Cha und Samba.

Die Medien waren ebenfalls an der Stigmatisierung des Bebop beteiligt. Da die Kritiker dem neuen Stil eher abgeneigt waren, fand ihrerseits eine sachliche Auseinandersetzung wohl auch mangels Kompetenz nicht statt. Stattdessen wurden reißerische Nachrichten verbreitet: »Der Bebop besteht aus überhitztem Hot Jazz mit übertriebenen, unzüchtigen Texten, voll von Anspielungen auf Rauschgift und Zweideutigkeiten«,465

465
Artikel im Time-Magazin vom 25. 3. 1946, zit. n. Werther, Iron: Bebop. Die Geschichte einer musikalischen Revolution und ihrer Interpreten. Frankfurt am Main: Fischer 1988, S. 41
wobei der einzige bis zum Datum dieses Zitats veröffentlichte Text eines Bebop-Stückes ›Salt Peanuts‹ lautete. Schließlich wurde dem Bebop ein moralisch schädlicher Einfluss auf die Jugend vorgeworfen, was als Begründung für ein Sendeverbot des Radiosenders CMPS von Bebop-Platten im März 1946 diente. Als Reaktion formierte sich eine breite Front von Jazzfreunden, die sich zur alten New Orleans-Schule zurückorientierten und damit eine Dixieland-Renaissance einleiteten, wobei die Initiatoren fast ausschließlich der weißen Mittelschicht angehörten. Diese Dixie-Welle eroberte auch Europa, hier vor allem Frankreich und in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre England und Deutschland.

Bebop kann als eine Revolte gegen das etablierte Swing-Jazz-Business angesehen werden. Dieses geschah nicht nur durch die musikalischen Veränderungen allein, sondern auch durch das Verhalten der Musiker, die ein eher indifferentes oder sogar arrogantes Verhältnis zum Publikum hatten. Gleichzeitig fiel die musikalische Entwicklung in eine Zeit, in der das Selbstbewusstsein der schwarzen Minderheit anstieg und sich auch deren sozialer Status änderte (dieses hängt unter anderem mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und dem damit verbundenen Bedarf an Soldaten und Arbeitskräften zusammen). Die Musiker selbst sahen jedoch im neuen Stil kein Sprachrohr für politische oder soziale Umwälzungen.466

466
Vgl. Werther (1988), S. 51 ff.

Neben dem Interesse für die Musik gab es auch ein Phänomen, das Werther mit dem Begriff »Bebop-Kult« betitelt.467

467
Vgl. ebda., S. 56 ff.
Diese von den Medien mit getragene Modewelle bezog sich auf das äußere Erscheinungsbild der Bebopper, die häufig Baskenmützen, dunkle Brillen und kleine Bärtchen trugen, ein Outfit, das ursprünglich Dizzy Gillespie kreierte, ohne dabei jedoch eine neue Mode entwickeln zu wollen. Wichtiger ist die Verbindung zum Intellektuellen, die mit der dunklen Brille signalisiert wurde: »Die Bebop-Musiker trugen zum intellektuellen Outfit wesentlich bei. Man beschäftigte sich nicht nur mit klassischer Musik, sondern auch mit Philosophie, Soziologie u. a. und betitelte Bop-Kompositionen auch gerne mit wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Begriffen wie z. B. Anthropology, Conception, Epistrophy [...]«.468
468
Ebda., S. 57
Die Bebop-Musiker suchten die Distanz zu Fangruppen wie den ›Beatniks‹, einem Vorläufer der späteren Hippies, da sie eine Verunglimpfung ihrer eigenen Musik befürchteten.

Die Popularität des Bebop erreichte Anfang der 50er-Jahre einen ersten Höhepunkt; sowohl Dizzy Gillespie als auch Charlie Parker wurden regelmäßig in Leser- und Hörerumfragen zu ›Pollwinnern‹ ihrer Instrumentenklasse gewählt. Dennoch blieb der kommerzielle Erfolg dieser Musik weitgehend aus. Der Bebop wurde schließlich in den 50er-Jahren vom Cool Jazz abgelöst, hat jedoch bis heute seinen Einfluss behalten.

In Bezug auf den Film ist die Rezeption des Jazz und speziell die des Bebop in Frankreich von großer Bedeutung, um Rückschlüsse auf den Stellenwert dieser Mu-


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