- 194 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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sich der Musik bedient, um sich gegen gewisse Personenkreise abzugrenzen (so beim Tanztee) bzw. sich anderen zuzuordnen (Intellektuellen, Existentialisten).

Die Musik bestimmt die Atmosphäre des Films. Vor allem im ersten Segment wird dieses deutlich, denn die von Jean de Baroncelli gewählten Attribute »fraîcheur du regard« und »vivacité du style«500

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»frischer Blick« und »lebendiger Stil«. Vgl. Baroncelli, Jean de: »Le souffle au coeur«. In: Le Monde 29. 4. 1971
rühren oftmals von der Musik her. Dabei versprüht paradoxerweise eine Musik, die unter Drogen und teilweise extremen Bedingungen in Parkers letzten Lebensjahren aufgenommen wurde, Lebensfreude und Verve, die sich auf die Bilder überträgt und mit Laurents Lebenseinstellung einhergeht. Am Schluss des Films wiederum korrespondiert der lebendige Gestus der Musik mit der allgemeinen Erleichterung in der Familie.

Die Charlie Parker-Stücke erfüllen somit mehrere Funktionen. Teilweise als atmosphärische Zutat, teilweise als Ausdruck von Laurents Gefühlen eingesetzt, gewährleisten sie auch den Zusammenhang der einzelnen Segmente (musikalische Bogenform). Durch die Vorliebe Laurents für Parker wird die Musik im Film zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens, indem sie direkt auf die Handlung Bezug nimmt (s. Take 1) und einen elementaren Schlüssel zum Verstehen seiner Persönlichkeit bietet. Dabei läuft die von Wilson und Goeman gerade bei den verwendeten Aufnahmen vom Dezember 1952 konstatierte »dauernde Unruhe im Saxophonspiel Parkers«501

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Wilson/Goeman (1988), S. 159
mit Laurents Gemütszustand parallel, der von einer Situation in die nächste gerät und so Erfahrungen mit der Erwachsenenwelt, aber auch mit dem eigenen Erwachsenwerden sammelt.

Nicht nur bei den Charlie Parker-Stücken, sondern auch bei den übrigen Stücken fällt die authentische Verwendung zeitgenössischer Musik auf. Sämtliche Jazztakes sind Originalaufnahmen aus der Zeit, in der die Handlung spielt. Durch den Einsatz von Musik im On502

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28 der 34 Takes sind direkt durch das Bild motiviert.
– in vielen Fällen erklingt die Musik von Schallplatte oder Radio – wird ein stimmungsvolles, realistisches Bild dieser Epoche gezeichnet.503
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Wie wichtig Malle die Präzision und die authentische Inszenierung von Handlung und Musik war, beweist folgender Kommentar von Jean-Claude Laureux: »Tout cela est lié: Dien-Bien-Phu, il y a la manifestation pour la guerre d’Indochine et en même temps qu’il y a Dien- Bien-Phu, il y a Charlie Parker qui sort tel disque et pour lui [L. M.] il faut que ça soit authentique. J’avais travaillé sur Le Souffle au montage comme stagiaire et je m’occupais justement de choisir les musiques et de les mettre et il me surveillait beaucoup sur les dates, c’est-à-dire qu’il y avait des morceaux qui collaient très bien mais qui n’étaient pas dans l’époque, qui ne pourraient pas avoir été entendus à cette époque-là et qu’il réfusait. Il n’en était pas question.« (»All das hängt zusammen: Dien-Bien-Phu, die Demonstration für den Indochinakrieg, und dann ist da Charlie Parker, der zur gleichen Zeit diese Platte herausbringt. Für ihn [L. Malle] musste es authentisch sein. Ich habe bei Le Souffle als Praktikant am Schneidetisch gearbeitet und musste die Musikstücke auswählen und auf den Film legen. Er bewachte genau, von wann diese Stücke waren. So gab es Stücke, die sehr gut zum Film passten, die aber nicht aus dieser Zeit stammten, die damals nicht hätten gehört werden können und die er ablehnte. Das stand außer Frage.«), zit. n. Interview mit dem Verfasser, 4. 4. 2001.
Die

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