- 193 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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während die anderen Mütter der Bourgeoisie sich diskret zurückhalten. Somit distanziert sich Claras jugendlicher Charakter deutlich vom Rest der Elternschaft, ihre unkonventionelle Lebensart und Erziehung wird abermals hervorgehoben.

Italienische Lieder In den Takes 16, 17 und 22 singt Clara italienische Lieder. Diese Musik dient letztlich der Charakterisierung der Italienerin. Ihr temperamentvolles Wesen, welches Prédal mit den Worten »gaie et impudique«498

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Prédal (1989), S. 107 (»fröhlich und unkeusch«)
umschreibt, kommt durch das Singen dieser Lieder zur Geltung.

Bach-Sarabande Das in Segment 63 erklingende Klavierstück signalisiert ähnlich wie das Salonorchester den Bezug zur Bourgeoisie. Offensichtlich gibt ein Patient bzw. ein Angehöriger das im Klavierunterricht Gelernte zum Besten. Das Klavierspiel steht in dieser Szene für die ›bessere‹ Erziehung des gehobenen Bürgertums und definiert Ort und Gesellschaft.

Pfadfinderlager/Kirche/Demonstration/Fernsehen An mehreren Stellen dient die Musik der Authentisierung des Ortes. Während der Indochina-Demonstration erklingt die Marseillaise als Antwort auf Anti-Kriegs-Parolen, im Fernsehen, welches 1954 seine Einführung in Frankreich fand, wird eine Sendung mit Musik angekündigt, in der Schulkapelle erklingt die Orgel bzw. ein Harmonium am Beginn der Morgenmesse und beim Abendmahl und im Pfadfinderlager ertönen ein Hornsignal und Flötenklänge zur Begleitung des Liedes Le soir étend sur la terre son grand manteau ... und des Erlkönigs. Die Musik gibt den akustischen Hintergrund wieder, den Laurent in verschiedenen Situationen des Alltags wahrnimmt. Fasst man die diversen Musikbeispiele in eine Gruppe und stellt diese den Jazz-Stücken gegenüber, wird der Kontrast deutlich, den der Jazz zu den übrigen Musikarten bildet. Zudem wird das Bedürfnis Laurents nach Jazz-Schallplatten verständlich, waren doch Gelegenheiten wie ein Pfadfinderlager neben dem Musikunterricht in der Schule für viele Jugendliche in seinem Alter die einzigen Berührungspunkte mit Musik.

  Fazit

Die Musikdramaturgie in Le Souffle au coeur ist durch zwei Aspekte gekennzeichnet: die Zeichnung der Person Laurents und eine sehr präzise akustische Kennzeichnung des bürgerlichen Lebens während der Nachkriegszeit in einer französischen Provinzstadt.

Die Verwendung der Bebop-Musik Parkers und Gillespies ist das auditive Pendant zur Literatur, die Laurent liest, und zu seinem Benehmen. Als der eigentliche musikdramaturgische Kern des Films ist sie untrennbar mit Laurent verknüpft und begleitet ihn auf den verschiedenen Etappen seines Weges durch die Pubertät. Über die Rolle der Musik als Zeichen der Rebellion gegen die Bourgeoisie ist bereits gesprochen worden.499

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Vgl. auch Lorenz, Janet E.: »Murmur of the heart«. In: Lyon, Christopher: The international dictionary of films and filmmakers. Chicago/London: St. James Press 1985, S. 2125–2129, hier S. 2127: »Behind all Laurent’s actions is a fierce rebellion against the stuffy bourgeois atmosphere that dominates his father’s family, as well as the town of Dijon itself. He rejects the complacent hypocrisy of the adult world around him, from his father’s social snobbery to the priest who asks him to renounce all impure thoughts while fondling the boy’s knee. Laurent at times has the arrogance of idealistic youth, but his feelings are motivated by honest and careful deliberation.«
Es sei hier nur noch einmal darauf hingewiesen, dass Laurent

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