- 223 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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vorhanden: Wenn in Segment 28 Violet für die Versteigerung vorbereitet wird und Claude einen Kommentar über ihr Kleid abgibt, wird er von Agnes mit den Worten »That’s why you’re a dumb nigger, cause you think like that . . . « abgefertigt, worauf er gelassen zu seinem Klavier geht und einen weiteren Rag spielt. Auch in einer anderen Szene wird deutlich, dass wohl sein Klavierspiel, nicht aber seine Ratschläge erwünscht sind – als nämlich der betrunkene Freier niedergeschlagen wird und allgemeine Aufregung ausbricht, spricht er mit Hattie, worauf Mme Nell ihm erwidert: »Claude, go back to your piano!« So wird das Klavier zu seinem Kommunikationspartner, wenn er nicht – wie so häufig im Film – stumm und mit ironischem Lächeln die Bordellszenerie beobachtet.

Musik als akustisches Kennzeichen der Stadt New Orleans

Die Tonspur des Films illustriert an mehreren Stellen durch Geräusche und Musik das alltägliche Leben in der Stadt New Orleans – von der steam whistle der Mississippi-Raddampfer über die summenden Prostituierten und singenden Straßenverkäufer bis hin zur Voodoo-Zauberin: Malle erstellt ein akustisches Fresko, welches suggeriert, dass nahezu alle Bestandteile des Lebens in New Orleans von einer tiefen Musikalität geprägt sind.

Bereits zu Beginn des Films beim Blick auf Storyville bei Nacht (Segment 1) erfährt der Filmbetrachter mehr durch den auditiven Sinn als durch den visuellen: Man vernimmt die Pfiffe, die von einem Dampfer oder von der Eisenbahn herrühren, das Geräusch der Dampfmaschine, Gesprächsfetzen, die aus einer Bar kommen und eine Solotrompete, die aus einem der Häuser dringt bzw. auf der Straße gespielt wird. Bereits hier werden dem Zuschauer Informationen über den Ort und die Zeit gegeben, noch bevor Storyville, New Orleans 1917 eingeblendet wird. Dieses Prinzip zieht sich durch den Film: Pretty Baby ist ein Film, in dem die Tonspur ebenso reich ist wie das Bild.

Einen akustischen Eindruck von Storyville bei Tag erhält man beispielsweise in den Takes 4, 5 und 31. In Take 4 preist ein Waffelverkäufer seine Ware mit lautem Gesang an,603

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»Waffle man, waffle man, watch this baby with a fryin’ pan. Put your money in your hand for the waffle man . . . « Der gleiche Song ertönt erneut in Segment 28, wurde jedoch nicht extra aufgeführt.
anschließend vernimmt man in Take 5 eine Drehorgel und die brüchige Stimme eines Bluessängers. Während dieser beiden Takes ertönt von Zeit zu Zeit die steam whistle, die bereits in Take 1 vorkommt. Hier wird der morgendliche Alltag im Viertel geschildert, ohne dass die Kamera die Räumlichkeiten des Bordells verlässt. Dennoch ist das Bild jenseits der Mauern für den Filmbetrachter dank der Geräusche präsent. In Take 31 erklingt Musik auf der Straße – zunächst ein Mundharmonika-Spieler, dann ein Bläserensemble – so wie sie Violet wahrnehmen muss: Die Kamera folgt in seitlicher Fahrt den Bewegungen Violets, wobei die Geräuschkulisse entsprechend wechselt.

Diese musikalische Illustration von Storyville setzt sich auch in den Abendstunden fort. In Take 15 kann nicht genau geklärt werden, woher die Klänge der Combo stammen, die Creole Belles spielt. Es könnte eine Band im Salon von Mme Nell spielen; es scheint jedoch, als dränge die Musik von der Straße durch die offenen


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