Am stärksten tritt die Interferenz der beiden Filmgattungen wohl in Lacombe Lucien hervor. Malle behandelt ein kontroverses Thema mit einer Mischung aus »tiefgründigem Verstehen einer Figur [Lucien Lacombe] und distanzierter Beobachtung ohne moralische Bewertung«683
In dieser Phase seines Schaffens gelingt es Malle, sich seinen ästhetischen Forderungen nach einem den Filmbetrachter nicht vordergründig emotionalisierenden Einsatz von Musik anzunähern. Nahezu alle Takes sind im Bild verankert, an keiner Stelle wirkt die Musikdramaturgie überladen. Durch den Einsatz von zeitgenössischer Musik kaschiert Malle eventuelle dramaturgische Funktionen (die zweifellos ihren Platz haben) hinter dem Aspekt des Dokumentarischen, so dass sich die Präsenz von Musik allein durch die Handlung legitimiert. Dass die moralische Neutralität der Darstellung (wie in Le Souffle au coeur) mitunter wie eine Provokation wirkt, entspricht Malles Haltung gegenüber dem Filmbetrachter: »I’ve been more interested in – not in displeasing people, but in disturbing, provoking them. I want to force them to ask questions.«685
Auch in den folgenden Werken der zweiten Periode, Pretty Baby und Atlantic City, U.S.A., spielt das dokumentarische Element eine große Rolle, was beispielsweise an der Geräuschdramaturgie des letztgenannten Films deutlich wird. Gleichzeitig zeigt er, dass die Musik bei aller dokumentarischen Präzision über die Funktion des schlichten Indiz für Zeit und Personen hinausgeht, die Charaktere teilweise ironisch kommentiert und durch außermusikalische Inhalte die Aussage des Films anreichert. In den darauffolgenden Filmen der dritten Periode Crackers (1983) und Alamo Bay (1985) scheint Malle von der dokumentarischen Linie abzuweichen. Die |