- 264 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Klangbildern à la Hollywood überwältigen will. Selten setzt Malle in dieser Periode eine klischeehafte Musik ein, deren Wirkung auf den Filmbetrachter wie ein konditionierter Reiz wirkt. So trägt die Musik dazu bei, die ästhetischen Prinzipien des cinéma direct in die Spielfilme zu transportieren und lässt dem Filmbetrachter Raum für eigene Interpretationen der Handlungsvorgänge. Jean-Claude Laureux beschreibt diesen Aspekt wie folgt:

»Il y a quand même une constante dans les films de Louis, c’est qu’il y a une liberté donnée au spectateur, c’est-à-dire vraiment on peut être deux, voir un film et sortir en ayant vu deux films différents, chacun a vu son film. Le cinéma de Louis, c’est un cinéma point d’interrogation. Il a toujours cette constante-là d’un metteur en scène qui n’impose pas son point de vue, qui ne fait pas une démonstration, qui soulève un problème, qui le traite comme il peut, mais en tout cas qui ne force pas le spectateur à penser une chose.«688

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»Es gibt trotz allem eine Konstante in den Filmen von Louis. Sie beinhalten eine Freiheit für den Zuschauer, was heißen soll, dass man zu zweit einen Film anschauen kann und hinterher zwei verschiedene Filme gesehen hat, wobei jeder seinen eigenen Film gesehen hat. Das Kino von Louis ist ein Kino des Fragezeichens. Er ist ein Regisseur, der nie seinen Standpunkt aufdrängt, der keine Demonstration veranstaltet, sondern der sich mit einem Problem befasst, dieses nach seiner Art und Weise behandelt, aber auf keinen Fall den Zuschauer zwingt, in eine bestimmte Richtung zu denken.«, zit. n. Interview mit dem Verfasser, 4. 4. 2001. Eine von Malle beschriebene Episode in Bezug auf Le Souffle au coeur belegt diesen Aspekt: »Als der Film anlief, stand ich vor einem Kino in der Nähe der Champs-Elysées, um zu hören, was die Leute beim Herauskommen sagen. Ich erinnere mich an zwei Frauen, die ganz offensichtlich dem Bürgertum angehörten. Sie lächelten selig und schienen sich wirklich gut zu fühlen. Plötzlich meinte die eine: ›Das war ja furchtbar, was wir gerade gesehen haben.‹ Dann fingen sie zu streiten an. Die eine sagte: ›Ich fand es komisch und rührend.‹ Dann: ›Nein, nein, es ist furchtbar.‹ [. . . ] Es hat mir immer Spaß gemacht, die Menschen zu zwingen, ihre feststehenden Meinungen zu überdenken.«, zit. n. French (1998), S. 121

Diesem Zitat entspricht die Haltung Malles in Bezug auf die Anforderungen, die er in seiner Idealvorstellung von Kino an den Zuschauer stellt:

»Une forme de cinéma qui nécessite donc des spectateurs actifs pour qui le film devient une courroie de transmission entre ce que le cinéaste, l’équipe technique ont vu, et ce que le spectateur voit: à chacun, à partir de ce double élément d’une vision subjective et d’un matériau brut, de tirer son message et son propre profit.«689

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Zit. n. Malle in Braucourt (1974), S 28: »Eine Form des Kinos folglich, die aktive Zuschauer benötigt, für die der Film zu einem Übermittlungsband wird zwischen dem, was der Regisseur und die Techniker gesehen haben und dem, was der Zuschauer sieht: So ist es jedem überlassen, aus diesem doppelten Element einer subjektiven Sichtweise und einem unbehandelten Material seine persönliche Botschaft und Nutzen zu ziehen.«

Dass dieses ›matériau brut‹ »sans mode d’emploi«690

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Ebda. (»ohne Gebrauchsanweisung«)
in Form von Musik möglicherweise Wirkungen mit sich bringt, die nicht von Malle intendiert sind, ist am Beispiel von Pretty Baby deutlich geworden, indem die Musik durch ihren Gestus die eigentliche Perversität der Szenen zu verdrängen vermag. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Musik keinesfalls absichtlich übertrieben stark im Off montiert ist, um einen dramaturgischen Einfluss zu nehmen, sondern als integrativer

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