vorgetragen wird.
Abgesehen vom Bezug, den der Operninhalt in manchen Fällen zur Filmhandlung
nimmt, adaptiert Malle auch formale Gegebenheiten des Musikstücks für den Film. So
lassen sich die Inszenierungen teilweise wie Verfremdungen der Regieanweisungen
bzw. der Filminhalt analog zum Operninhalt begreifen. Dieser Aspekt wurde
vor allem an der Norma-Arie Casta Diva im Film Atlantic City, U.S.A. und
an den Wagner-Ausschnitten in Black Moon gezeigt. Während der formale
Aufbau von Sallys Waschzeremonie deutlichen Bezug zur Opernszene nimmt,
interpretiert Malle Walthers Gesang aus den Meistersingern wörtlich: Er montiert ihn
in einer Szene, die in einem Garten und teilweise unter einem Baum spielt.
Zudem entspricht im weiteren Verlauf des Films Black Moon die Tages- bzw.
Nachtzeit der Filmhandlung der Opernhandlung von Tristan und Isolde. Was
Malle mit diesen Analogien bezweckt, kann freilich nicht eindeutig festgestellt
werden. Dies belegen die verschiedenen Deutungsansätze in den Einzelanalysen.
Möglicherweise gibt der Regisseur dem Zuschauer bewusst Rätsel auf, um diesen zu
einer eigenen Interpretation zu bewegen, folglich eine weitere Bestätigung des
rezeptionsästhetischen Ansatzes, der oben vorgestellt wurde. In einigen Fällen
dient der Bezug zur Oper einer ironischen Kommentierung (Mozart-Arie in
Milou en mai, Norma in Atlantic City, U.S.A.), an anderer Stelle gestaltet sich
der Bezug weniger eindeutig, wie der Einsatz der ›Liebesqual-Thematik‹ von
Tristan und Isolde im Film Black Moon. Dennoch kann ein Feingefühl und ein
bewusster Einsatz von musikalischen Opernzitaten konstatiert werden. In diesen
Fällen trägt die Musik folglich dazu bei, das Bild inhaltlich anzureichern und es
vielschichtiger zu gestalten. Der Einsatz ist somit keinesfalls zufällig gewählt, da sich
zu viele Bezüge und Ähnlichkeiten zwischen Film- und Operninhalt finden
lassen.
Der Gebrauch musikalischer Zitate zwecks Kommentierung der Filmhandlung weist in eine ähnliche Richtung. Eine Kommentierung erreicht Malle einerseits durch den Einsatz beschrifteter Musik, die ihre durch Rezeptionsgeschichte, Entstehungszeit etc. bedingten außermusikalischen Inhalte in den Film zu transportieren vermag. Dies ist am Beispiel von Atlantic City, U.S.A. deutlich geworden. Des Weiteren nutzt Malle die Aussagekraft präexistenter Musik, wie der ›Internationalen‹ oder des Debussy-Préludes in Milou en mai, um beispielsweise durch Verfremdung (›Internationale‹) die Aktionen der Charaktere bzw. Situationen zu persiflieren. Auch in diesen Fällen verlangt Malle vom Filmbetrachter eine Entschlüsselung der in der Musik verankerten Aussage, die die Handlung des Films anreichert.696
Das Verhältnis der Ästhetik Malles zum PublikumDer Aspekt der verstärkten Partizipation des Filmbetrachters sowohl in visueller als auch in auditiver Hinsicht setzt voraus, dass Malle von einem Publikum ausgeht, das im Stande ist, seine Botschaften zu verstehen bzw. sich mit den im Film angelegten Reflexionsanstößen auseinander zu setzen. Aus diesem Grund scheint es angebracht, Malles Stellung in den späten 50er-Jahren zu Beginn seiner Karriere zu untersuchen, um zu hinterfragen, welche Anregungen er erhalten haben |