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könnte, bzw. inwieweit seine Ästhetik durch das kulturelle Klima dieser Zeit beeinflusst wurde. Dabei spielt auch der Kontext der Nouvelle Vague sowie die damalige Rezeptionssituation eine Rolle.

Der französische Film der fünfziger und sechziger Jahre und seine Rezeption

Die Stellung des französischen Films nach dem Zweiten Weltkrieg ist von zwei Tendenzen bestimmt: eine erste, die mit dem Begriff der ›tradition de qualité française‹ bezeichnet werden könnte und eine zweite, die den wachsenden Unmut junger Regisseure widerspiegelt. Diese beklagen die Konservierung ästhetischer Prinzipien im Großteil der französischen Filme und die Schwierigkeit, einen Einstieg in die Filmbranche zu erreichen. Die Filmproduktion in der Vierten Republik ist durch eine Zensur gekennzeichnet, die sehr empfindlich auf all das regiert, was auf die politische und soziale Realität Frankreichs anspielt, die durch wirtschaftliche Probleme, die Nachwirkungen des Krieges, die Kriege in Indochina und Algerien und die damit verbundene Entkolonisierung etc. geprägt ist. Demzufolge ist die Mehrzahl der Produzenten nicht bereit, das Risiko eines eventuellen, durch die Zensur drohenden finanziellen Misserfolges zu tragen. Neben einigen Ausnahmen (Ophuls, Melville, Bresson, Tati) bestimmen die Filme von Regisseuren wie René Clément und Claude Autant-Lara das Bild des cinéma de qualité der Vierten Republik. Der Begriff cinéma de qualité, der zur Zielscheibe für Truffauts polemische Kritiken wird, meint ein handwerklich perfektes Kino, das sich jedoch nicht weiterentwickelt und in dem der Regisseur nicht die von den späteren Nouvelle Vague-Anhängern geforderte Autorenschaft erfüllt. Publikumserfolge sind Filme mit Stars wie Fernandel oder Bourvil, Komödien und Kriminalfilme, die Jean-Pierre Jeancolas mit dem Begriff »cinéma populaire« bezeichnet.697

697
Jean-Pierre Jeancolas: Histoire du cinéma français. Paris: Nathan 1995, S. 68
Die Mehrzahl der Franzosen habe Filme besucht, so Jeancolas, die sich seit den dreißiger Jahren nur wenig verändert haben.698
698
Ebda., S. 98 f.

Neben dieser künstlerischen Stagnation verändern sich jedoch seit dem Ende des Krieges die Rezeptionsmöglichkeiten; in den 50er-Jahren wächst das Phänomen der Cinéphilie, eine Art Kino-Kult. Nach 1945 entstehen vermehrt sogenannte ›ciné-clubs‹, die von verschiedener Seite aus organisiert werden (Betriebe, Schulen etc.). In den 20er-Jahren zwecks Verbindung von cinematographischer und intellektueller Elite konzipiert, entwickeln sich die ciné-clubs zu wichtigen Einrichtungen der Verbreitung filmischer Kultur, in denen sowohl Klassiker, amerikanische, während der Besatzungszeit verbotene Filme als aber auch aktuelle Produktionen, wie Filme des italienischen Neorealismus gezeigt werden. Die Rezeptionssituation unterscheidet sich von der des durchschnittlichen ›public du samedi soir‹. Man sieht die Filme nicht als reine Unterhaltung, sondern als Kunstgegenstand, über den diskutiert wird. Eine wesentliche Rolle kommt in diesem Zusammenhang der Cinémathèque française zu, die 1936 von Henri Langlois gegründet wurde und die für eine ganze Generation späterer Regisseure, Louis Malle eingeschlossen, zu einer wichtigen Begegnungsstätte mit Filmkunstwerken wurde. Ein entscheidender Aspekt ist das Element der Diskussion über das Gesehene; die jungen Filmanhänger eignen sich auf diese Weise theoretische Kompetenzen an, mit Hilfe derer sie im Stande sind, Filmproduktionen nach ihren Maßstäben zu bewerten. Mit dieser Entwicklung hängen Tendenzen zusammen, die in zunehmender Weise eine Kritik der Filmästhetik der Nachkriegszeit zum Ausdruck bringen. Diese Kritik manifestiert sich in mehreren Artikeln, die in den späten 40er und


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