- 276 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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de Kriterien Wolfgang Thiels, der ein Thesenpapier für eine ›Integrale Filmmusik‹ entworfen hat:

»Integrale Filmmusik fußt auf den ästhetischen Maximen und Postulaten einer integrativen audio-visuellen Dramaturgie, deren konzeptioneller Ausgangs- und Bezugspunkt für den Einsatz aller optischen und akustischen Gestaltungsmittel in der jedem Filmprojekt zugrundeliegenden filmischen Werkidee liegt. Diese Werkidee kann sich sowohl in einer fotografisch realisierten dokumentarischen oder narrativ-fiktiven Darstellung von ›äußerer Wirklichkeit‹ als auch in einem Spiel der Phantasie [...] ästhetisch verwirklichen.«720

720
Thiel (2001), S. 47

Malles Werkidee entspricht in der Mehrzahl seiner Filme dem erst genannten Beispiel. Thiel schreibt weiter:

»[...] Von diesem generellen ästhetischen Ansatz her muß das Ziel aller filmmusikalischen Überlegungen die sachlich vermittelte Stimmigkeit zwischen filmischem Anliegen und musikalischer bzw. akustischer Gestaltung unter Maßgabe der besonderen Produktions- und Rezeptionsbedingungen im Kino und Fernsehen (Medienspezifik) sein. ›Sachlichkeit‹ bedeutet hierbei neben ›Tilgung von Klischee und Floskel‹ (Adorno/Eisler 1977, S. 70) die Begründung des Musikeinsatzes aus der Werkidee (jeweils bezogen auf die konkrete Szene und Sequenz) und somit jenseits kommerzieller oder ideologischer Fremdbestimmungen.«721

721
Ebda.

Ersterer Aspekt trifft auf das Werk Malles zu, da der zurückhaltend eingesetzte Musikgebrauch mit der visuellen und inszenatorischen Ästhetik weitgehend übereinstimmt. Diese Kohärenz betrifft auch die von Thiel aufgeführte ›Sachlichkeit‹. Obwohl Malle das filmmusikalische Klischee nicht immer vermeidet, lassen sich sowohl Musikeinsatz als auch -wahl aus der Werkidee ableiten, wobei die Musik dokumentarisch legitimiert, bzw. ästhetisch begründet ist. Auch in den Ausnahmen wie Black Moon, Zazie und Milou en mai lässt sich die Musikverwendung aus der Werkidee und deren Intentionen ästhetisch legitimieren. So betont die Musik in allen drei Fällen bewusst das Phantastische bzw. Märchenhafte und kontrastiert somit die ansonsten vorherrschende Dokumentarästhetik.

›Kommerzielle Fremdbestimmungen‹ treffen neben Viva Maria allenfalls auf die Hollywood-Produktion Crackers und eventuell auf Damage zu; zwei Filme folglich, die ohnehin eine Ausnahmestellung im Schaffen des Regisseurs einnehmen. Für den Rest des Werkes passt sich die Musik jenseits marktorientierter Beweggründe der Ästhetik und dem Genre des jeweiligen Filmes an – die große Vielfalt an Musikarten korrespondiert mit der Vielzahl der Genres – , so dass in diesem Punkt von ›Sachlichkeit‹ gesprochen werden kann.

Sowohl visuell als auch auditiv bildet Malle im internationalen Vergleich eine Ausnahme. Er ist damit ein schwer zu klassifizierender und einzuordnender Regisseur, der jenseits fremder Einflüsse seinen Interessen und seinem Instinkt gefolgt ist, in seinem Werk das Fiktionale im Dokumentarischen und das Dokumentarische im Fiktionalen gesucht und integriert hat und dessen filmmusikalische Verwendung


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