- 37 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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ment ebenso zum Interieur des Raumes wie die teilweise surrealistischen Möbel (ein Stuhl aus einem Hirschgeweih), die ständig wechselnde Farbbeleuchtung durch die Reklame, der Verkehrslärm an der Place Pigalle und die die Rolle eines Gebrauchsgegenstandes (Roboter) einnehmende Albertine, deren einzige Funktion offensichtlich darin besteht, ihren Ehemann Gabriel zu bedienen. Somit erinnert die Musik hier an das Konzept Erik Saties einer ›musique d’ameublement‹, einer Musik die nicht bewusst wahrgenommen werden sollte, einer Musik, die analog einer Tapete oder eines Möbelstücks zur Ausstattung des Raumes beitragen sollte.93
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Vgl. Wehmeyer, Grete: Erik Satie. Regensburg: Bosse 1974, S. 227 ff.
Ob dieses als eine (eventuell ironische) Anspielung auf die Ästhetik gedacht war, dass man Filmmusik möglichst nicht hören sollte, kann nicht geklärt werden. Zweifelsohne gehört dieses Segment jedoch zu den atmosphärisch dichtesten Stellen des Films, in der visuelle und auditive Elemente eine kompakte Einheit bilden.

Ähnlich verhält es sich mit den Take 37 und 39/40. Erneut ist Albertine in der Wohnung Gabriels, als Mado Ptits Pieds hereinkommt und ihr von ihrer Verlobung erzählt. Die Musik ist erneut der ›musique d’ameublement‹ zuzurechnen, verstärkt hier aber noch in stärkerem Maße den geheimnisvollen Zug Albertines, insbesondere wenn diese in amerikanischer Einstellung den Gang entlang zu schweben scheint oder in Großaufnahme ganz in blau getaucht ihren Lesbianismus durchscheinen lässt. Dabei gewinnt die Kombination ihrer Augen mit der Musik einen hypnotischen Charakter, zumal die Musik eine indisch-orientalische Note trägt.94

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Über einem Ostinato (Gitarre) spielt eine Flöte in kreisenden Bewegungen Ausschnitte aus der griechisch-chromatischen Tonleiter (Vgl. Klangsprache der Gymnopédies und Gnossiennes im Film Le Feu follet).

Diese beiden Beispiele zeigen ein sehr stimmiges Zusammenspiel von Bild und Musik, in Szenen, in denen Albertine in der Wohnung Gabriels auftritt. Beide Elemente verstärken den rätselhaften Charakter der Frau, die sich am Ende des Buches übrigens in einen Mann verwandelt. Zweifellos fallen besonders diese Stellen auf, da sie aus musikalischer Sicht einen Ruhepol inmitten der ansonsten sehr hektischen Jazz-Takes darstellen.

Kommentierende Musik In mehreren Take übernimmt die Musik die Funktion des Kommentars. An dieser Stelle seien zwei Beispiele herausgegriffen, die verdeutlichen sollen, wie Malle mittels der Musikdramaturgie die oben bereits aufgeführte Kritik an der Erwachsenenwelt und des Großstadtlebens erreicht. In Segment 28 trifft Pedro zum ersten Mal auf Albertine, die er im Verlauf des Films immer wieder verfolgen soll. Bei ihrem Anblick ertönt ein Streichermotiv (Take 21), welches an das Tristan-Motiv aus Wagners Musikdrama Tristan und Isolde erinnert.




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