- 57 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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»Ich befürchtete, Maurice würde die Figur zu weich gestalten, und dachte die ganze Zeit an meinen Freund [der auch Selbstmord begangen hatte], der sehr kurz angebunden war und alles Sentimentale haßte; die Figur in Drieus Roman war genauso. Ich wollte Maurice eine gewisse Härte verleihen. Ich mußte mit ihm kämpfen, um seine Darstellung härter zu machen.«139

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Malle in French (1998), S. 68

Gévaudan wiederum sieht gerade in dieser Distanznahme den Schlüssel für die ergreifende Darstellung des Alain Leroy und die daraus resultierende Emotionalität:

»La mise en scène, c’est affaire de distance. S’il se dégage de chaque plan de Feu follet une émotion si poignante, c’est parce que Louis Malle trouve, d’instinct, le juste recul. Plus près, ce serait le danger de la complaisance, plus loin, celui de l’indifférence. Malle met au point. Il ne faut ni plaindre ni disséquer mais comprendre. C’est-à-dire aimer.«140

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Gévaudan (1975), S. 86 (»Wenn sich von jeder Einstellung eine so geballte Emotion entbindet, so geschieht dieses, weil Malle aus Instinkt den richtigen Abstand findet. Eine nähere Beschreibung würde die Gefahr einer zu großen Identifikation bergen, eine entferntere die der Gleichgültigkeit. Malle stellt scharf, fokussiert. Man soll Alain weder bemitleiden, noch pedantisch analysieren, sondern verstehen. Und das heißt lieben.«)

Es ist bezeichnend für Malle, dass sowohl visuell als auch akustisch keine allzu große Identifikation seitens des Filmbetrachters mit dem Protagonisten und der Handlung erzielt werden soll. Dieser Stil weist auf Malles Hang zum Dokumentarfilm hin; war Vie privée bereits eine Art Dokumentation über den Starrummel um Brigitte Bardot (indem Malle freilich eine Identifikation des Stars mit dem Zuschauer erreichen wollte), so wird sich diese Ästhetik auch in den folgenden Filmen wie Le Voleur und spätestens nach den Indien-Dokumentationen fortsetzen.

  Fazit

Die Musik in Le Feu follet hat sowohl an der Dramaturgie, der syntaktischen als auch an der atmosphärischen Gestaltung des Films großen Anteil. Wie exemplarisch analysiert wurde, verwendet Malle die Stücke Saties, um inhaltliche Themen des Films musikalisch zu beschriften. Dieses erfolgt jedoch nur auf sehr indirekter Basis, da sich die Musik für eine Leitmotivtechnik bzw. eine konkrete Personenzuordnung nur bedingt eignet; zu ähnlich sind die Stimmungs- und atmosphärischen Eigenschaften der Gymnopédies und Gnossiennes. Neben Gliederungsfunktionen (Akzentuierung von wichtigen Filmpassagen, Markierung von Sequenz- und Segmentabschlüssen etc.) bewirkt die Musik in manchen Teilen durch die Asynchronität von filmischer und musikalischer Syntax einen Rhythmus, dessen Schwerelosigkeit die Verfassung des Protagonisten widerspiegelt. Malle schneidet die Musik in diesem Film mit enormer Präzision, um jeweils synchrone bzw. asynchrone Effekte zu erzielen.

Die Verwendung der Klavierminiaturen Saties entspricht dem unaufdringlichen Inszenierungskonzept des Films. Obwohl sie durch oben aufgeführte musikalische Mittel eine Stimmung von Melancholie und Einsamkeit verströmen, erzeugen sie keine übertriebene Emotionalisierung der Handlung. Die musikalische Sprache Saties lässt Raum für mehrere Deutungsmöglichkeiten und unterscheidet sich vom


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