tieren lässt: Die Perversion des Geschlechterkriegs
erhält durch die Kontrastierung mit der Musik zusätzliche Schärfe, während
gleichzeitig die Aussage des Dramas, die Unmöglichkeit einer Grenzen sprengenden
irdischen Liebe, makaber unterstützt wird: Die im Film dargestellten SoldatInnen
handeln in indirekter Konsequenz in diesem Sinne, indem sie sich gegenseitig einer
geschlechtlichen Säuberung unterziehen. Die Aussage der Musik, kombiniert mit den
grausamen Bildern des Krieges, muss bei der unerfahrenen Lily, für die sich
die Liebe (bzw. deren pervertierte Form, der Hass) als »antizivilisatorische
Naturgewalt«206
»Die Wirkung auf unvorbereitete Gemüter ist [...] wie die Versuchung des Bösen, das man sich besser vom Leibe hält. Der Gifttrank, den Wagner hier dem Zuhörer verabreicht, ist die musikalische Einübung extremer Seelenzustände, die dem gewöhnlich Sterblichen nur ausnahmsweise, und dann nur mit Furcht und Zittern, zugänglich sind: die Botschaft, daß der menschliche Grundtrieb, die Liebe nämlich, nur ›furchtbare Qual‹ sein kann.«207
Der Einsatz der Musik in den Segmenten 52–53 fungiert im Gegensatz zum ersten Einsatz weniger als kontrapunktischer Kommentar der Handlung als vielmehr als ein dramaturgischer Wendepunkt mehrerer Entwicklungen im Film und zugleich dessen Höhepunkt. Folgende Entwicklungen sind zu vermerken: (1) Lily ist in das Personengefüge integriert und interagiert zum ersten Mal konstruktiv mit den anderen Bewohnern, vor allem mit den Kindern; (2) nach dieser Nacht entzündet sich ein Streit zwischen den Geschwistern, dessen Ausgang vermutlich tödlich sein wird; (3) weder die Kinder, noch die alte Frau tauchen nach dieser Szene noch einmal auf. Das gemeinsame Musizieren repräsentiert den letzten Schritt auf Lilys Initiationsreise zum Erwachsensein. Nachdem sie bereits vorher die alte Frau gestillt hat, übernimmt sie nun eigenmächtig Verantwortung (sie spielt Klavier) und führt durch ihr Spiel die Sänger durch die Partien des Dramas. Während der Darbietung sind Mensch und Tier harmonisch vereint; der Mensch ist in den Entwicklungsstufen vom Kind über das Jugendlichenalter bis hin zum Erwachsenen vertreten. Durch die Interpretation der Gesangsrollen durch zwei Kinder mutet die Aufführung wie ein harmloses, unschuldiges Spiel an: Die Kinder haben noch nicht den Oktavabstand, ihre Stimmen erklingen auf gleicher Höhe.208
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