mit
einem ausgiebigen Spannungsaufbau, der in die Katastrophe führt, anspielt, eine
Musikdramaturgie entspricht, die den Filmaufbau respektiert und den thematischen und
atmosphärischen Zusammenhang gewährleistet. Die Musikdramaturgie ist somit durch
den konventionellen Einsatz von Themen, spannungserzeugenden Motiven und
ortsspezifischer Musik gekennzeichnet. Ein Beispiel: Das Stück Theme from Alamo Bay
fungiert als main title, erklingt im Vor- und Abspann und wird auch im Film an drei
weiteren Stellen verwendet.
Sämtliche Takes im Film stammen vom amerikanischen Slide-Gitarristen und Komponisten Ry
Cooder.245
Cooder sammelte seine ersten Erfahrungen mit der Bluesmusik in den 60er-Jahren,
als er in Bands mit Taj Mahal, Captain Beefheart und sogar bei den Rolling Stones
mitwirkte. Seine frühen Soloalben belegen ein großes Verständnis amerikanischer Musik von
Blues bis Country. Nach stilistischen Ausflügen in die Gospelmusik, den Dixieland-Jazz
und Hawaii-Gitarren-Musik machte sich Cooder in den 80er-Jahren vor allem als
Filmmusikkomponist einen Namen. Auf diesem Gebiet arbeitete er vornehmlich mit Walter
Hill zusammen (Streets of Fire, USA 1984; Crossroads, USA 1986, Johnny Handsome, USA
1989). Die 90er-Jahre standen für Cooder vor allem im Zeichen der Weltmusik wie
Produktionen mit V. M. Bhatt und Ali Farka Toure belegen. 1997 erlangte er großen Erfolg
durch die Zusammenarbeit mit kubanischen Jazz-Veteranen, die auf dem Album Buena Vista
Social Club vereint sind und im gleichnamigen Wim Wenders-Film zu später Ehre gelangten.
Nicht alle verwendeten Takes im Film sind auf dem Soundtrack-Tonträger (Slash 25311–4)
enthalten. So konnte nicht geklärt werden, ob es sich bei den beiden Country-Stücken in
Segment 72 um bereits existierende oder eigens für den Film komponierte Musik handelt.
Ähnliches gilt für das Rock’n’Roll-Instrumental in Segment 64.
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Die Entscheidung Malles für Cooder rührt von dessen Soundtrack zu dem Wenders-Film
Paris, Texas (D/F/GB 1984) her, von dem der Franzose sehr beeindruckt war. Somit
überrascht es nicht, dass sich die beiden Filmmusiken stark ähneln. Gerade die jeweils
ersten Szenen der beiden Filme weisen sowohl visuell als auch akustisch Parallelen auf,
zumal beide im US-Bundesstaat Texas spielen: während bei Wenders die Weite der
texanischen Steinwüste Devil’s Graveyard gezeigt wird, aus der der Protagonist des
Films, Travis, auftaucht und dazu die sparsam eingesetzte Slide-Gitarre Cooders
spielt, beginnt Malle seinen Film mit einem seiner Hauptfiguren, Dinh, der eine
staubige Straße in Texas entlangmarschiert, um nach Port Alamo zu gelangen. Im
Hintergrund wird man der Weite des texanischen Küstenlandes mit grünen
Wiesen gewahr, und die Gitarre Cooders bedient sich ähnlicher Phrasen wie im
Wenders-Film. Obwohl die verblüffende Ähnlichkeit der Szene wohl nicht als eine
Hommage an den deutschen Regisseur zu deuten ist, wird dessen Einfluss hier sehr
deutlich.
Malle montiert im Film relativ viel Musik (2788 Sekunden = ca. 47 % der
Gesamtlänge). Diese teilt sich jedoch in nur 22 Takes auf. Einen großen Anteil
beanspruchen die Takes für Vor- und Abspann und für die über achtminütige
Kampfszene in den Segmenten 87–105. Häufig spannen sich die Takes auch über mehrere
Segmente hinweg, so dass die Musikdramaturgie trotz der Quantität eine gewisse Ruhe
vermittelt (man vergleiche dazu die Verteilung in Vie privée und Crackers). Die
Mehrzahl der montierten Takes wird als Musik im On eingesetzt. Außer dem
dramaturgisch verwendeten Theme from Alamo Bay und den spannungsdramaturgisch
und atmosphärisch eingesetzten Takes 18, 20 und 21 sind alle anderen Musikbeispiele
durch das Bild motiviert. Dieser Aspekt trägt ebenso dazu bei, dass der hohe
Prozentsatz an Musik nicht auffällt: Die Musik ist oftmals dezent im Hintergrund
eingesetzt. Zudem verhält sich die von Cooder eingesetzte musikali-
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