- 267 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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A.  Analyse der Rezensionen zu den Aufführungen 1906–19071
1
Zur Anlage dieses Anhangs vergleiche S. 174ff.


Kürzel:2
2
Die Nachweiskürzel sind auf S. 166ff. entschlüsselt.

E = Essen
B = Berlin
M = München
W = Wien

I.  ZUM WERK ALS GANZES

  Charakterisierung


daß das Werk in der dämonischen Epoche der Erdbeben entstanden ist [. . . ] Als Ganzes betrachtet ist Mahlers neues Opus eine geniale Schöpfung von imperatorischem Willensdrang [. . . ] Gustav Mahlers – Erdbeben-Symphonie [. . . ] doch geht es ohne phantastische Ausschweifungen nicht ab [E06/B]

Beziehungen zwischen den beiden Ecksätzen sind jedoch unschwer zu finden; beide sind marschähnlich, und der tragische Ton, der beim ersten Satze schließlich einem freudigen Vorwärts[unleserlich] weicht, wird im Finale wieder aufgenommen, und das Werk endet in einer Katastrophe. Zwischen diesen beiden Sätzen ist wohliges Behagen ausgebreitet [. . . ] Marsch und Tanz sind Mahlers Hauptingredienzen, und das erklärt sich leicht aus dem, was seine besondere Stärke ausmacht, den ungemein festen, bestimmten Rhythmus. Und dieser Rhythmus ist wieder ein Zeichen seiner ganzen Persönlichkeit, die aus Willen und Energie zusammengesetzt ist. [. . . ] Auch Mahlers Musik ist aus dem Willen heraus geboren und nicht aus dem Herzen. Sie erzwingt sich Achtung, aber sie rührt uns nicht, sie ist keine Sprache der Seele, sondern eine Sprache des Verstandes und des Willens. [E06/C]

von monumentaler Größe [E06/D]

Das Ganze aber stellt sich als ein so imponierendes, auch in der Form und Verarbeitung meist effektvoll aufgeführtes Tongebäude dar [. . . ] Ein kerniger gesunder Zug, vielleicht am meisten an Bruckner gemahnend, ist dieser Tonsprache eigen, weichliche Sentimentalität fehlt ihr z. B. in den meist ansprechenden lyrischen Themen vollkommen. [E06/E]

Die brutalsten Partien sind Mahlers ureigendstes Besitztum und sie lehren uns, daß Musik auch häßlich, sogar sehr häßlich sein kann. [. . . ] Wem ein solch großartiger Apparat nicht gelegentlich mal durchgeht, der ist wahrlich ein meisterlicher Orchesterbeherrscher. Mahler aber geht er des öfteren ganz ordentlich durch, dann aber erhebt sich ein Brüllen und Heulen, daß die in der Nähe Sitzenden für ihr Trommelfell befürchten müssen. Ich saß glücklicherweise in respektvollerer Entfernung von dem Orte aller dieser modernen Schrecknisse. In dem allgemeinen Höllenlärm ging ein großer Teil dessen, was sich in der Partitur recht schön und geistreich ausnahm, einfach auf Nimmerwiedersehen verloren. Einem solchen Tonstrome gegenüber, den sich die Bläser leisten, kann sich auch ein doppelt so starker Streichkörper, wie ihn das heutige kombinierte Festorchester aufwies, nicht genügend Respekt verschaffen; er wird ohne Gnade in den Orkus hinabgestürzt. [. . . ] Es liegt nach diesem charakteristischen Klangmittel eigentlich nahe, dieses neueste sinfonische Werk Mahlers die »Sinfonie mit den zwei Hammerschlägen« zu taufen. [. . . ] ein Zerrbild jedes gesund musikalischen Empfindens. [E06/F]


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