- 268 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Aus der Persönlichkeit Mahlers, der menschlichen wie künstlerischen, erklärt sich wohl das Sprunghafte, oft bis zum Schrullenhaften, Seltsamen, das lebhaft Gestikulierende, sinnfällig malende dieser Musik. [. . . ] die schreienden Fortissimi treffen nur noch auf überspannte Hörnerven. [E06/J]

Er zeigt auch in seiner Sechsten Symphonie allerwegen die starke Hand des bewußten Gestalters, der mit unerhörter Energie Einfälle, die an sich nicht riesengroß sind, zu gigantischer Alfrescowirkung auftürmt. [. . . ] Man spürt nicht die innere Notwendigkeit dieses Kampfes, dieses Gegeneinander und Uebereinander. [E06/M]

Der Grundzug des Werkes ist entschieden tragischen Charakters. [E06/N]

Aber deswegen schafft Mahler doch nicht ohne zureichenden Stimmungsgrund. Als solchen wird man auch hier die Heilung – oder noch genauer die Heilungsversuche – des zerrissenen Menschengemüts durch die Natur bezeichnen dürfen. Durch Mahlers seelischen Empfinden zieht sich ein tiefer, scharfer Riß, den er durch die Zuflucht zur Natur zu heilen sucht. So spielte denn auch in dies Werk wieder die ganze Klang- und Stimmungswelt der Alpen hinein, nur das diesmal der Natur balsamische Kraft versagt und das Leid, das sich (im letzten Satz) in herbster Gestalt offenbart, sich als dauernd, als ungemindert festsetzt.[E06/P]

Sie ist [. . . ] als Erzeugnis musikalischer Alchimistik bewundernswert. [. . . ] gewaltige Hammerwerkstimmungen [. . . ] Daß seine Symphonie ein großes Theater ohne »andere« Schauspieler ist, liegt in seiner Veranlagung, die ihn nicht auf Eingebungen, sondern auf Einfälle und Kombinierungen verweist. [E06/Q]

Er kennt nur noch die Blechsprache; er redet nicht mit uns – er brüllt und tobt uns an; und verwundert fragt man: Wozu der Lärm? Es gelingt ihm nicht, uns von der inneren Notwendigkeit des von ihm Gesagten zu überzeugen, vor allem wegen der ungeschlachten Maßlosigkeit seiner Gebilde. [. . . ] in Ermangelung des inneren Wertes, mit allen Effektmitteln des Orchesters, vor allem mit den lärmendsten Instrumenten, unterstrichen werden muß – gewiß kein Zeichen ihres inneren Wertes, wie es Menschen gibt, die ihren Ansichten dadurch eine grössere Richtigkeit zu vindizieren glauben, dass sie sie mit Stentorstimme vortragen. [E06/U]

- das Werk erhielt schon den Beinamen »Die Trommelsinfonie« [. . . ] Nun gar so arg ist es, mit Ausnahme des schwergezimmerten, blechbeschlagenen letzten Satzes, gerade nicht. [E06/V]

dieses moderne gigantische Riesenwerk [. . . ] die 6. Symphonie mit ihrem brutalen Heidenlärm [. . . ] dieses groteske Produkt einer entarteten Phantasie [E06/W]

Wie Herr Mahler ins Maßlose weiterschreitet, wie er versucht, das Publikum über Zeit und Raum hinauszuführen, wer denkt nicht dabei an den »Brand« von Ibsen! Aber der Direktor des Wiener Opernhauses möge sich hüten, daß er schließlich nicht oben auf den Höhen einsam und verlassen steht und – von seinen eigenen Massen lawinenartig verschüttet wird! Noch ein Jeder hat daran scheitern müssen, daß er die Grenzen seiner Möglichkeiten überschritten hat. [E06/X]

Während Mahler trotz seiner eminenten Kunst, trotz klanglichen Schönheiten und empfindsamen Einzelzügen mit seiner Lyrik doch nie so recht das Innere unserer Seele zu bewegen weiß – ein Tränlein, wenn auch nur verstohlen, ist wohl niemandem die Wange herabgeflossen -, [E06/Z]

Spielen ländliche Erinnerungen überhaupt in das Werk hinein [E06/a]

das gigantische viersätzige Werk [E06/d]

Die ins Kolossale getriebenen Dimensionen, die dem ebenso kolossalen Orchesterapparat entsprechen [. . . ] Mahlers Hauptformen sind der Marsch und der Tanz, auch das Volksliedartige. [. . . ] Und im Grotesken ist Mahlers Musik am interessantesten, jedenfalls eindringlicher, als wo sie die gefühlsmäßige Seite erklingen läßt. Trotz aller absichtlich erstrebten Einfachheit (hierin liegt schon die Kritik) fehlt seiner Lyrik das Innige, Warme, Rührende. Manche Reize enthüllen sich, auch manche Schönheit klingt in uns nach, eigenartige Wohllaute umschmeicheln oft unser Ohr, aber ein Tränlein hat sich bei dieser Musik wohl noch nie aus einem Auge gestohlen. [E06/e]

Es wäre recht einfach, wenn sich Mahlers Sinfonie nur zwischen diesen beiden schönen Dingen [Paradies auf Erden und elysäische Gefilde] abspielte. Aber dazwischen gähnt ein tiefer Riß, ein unbefriedigtes sich Sehnen, ein Verzweifeln, [. . . ] ein Stöhnen und Aechzen und ein Schreien und Brüllen, und das ist es, was der Sinfonie die Tragik verleiht, die ihr der obenhin Urteilende wohl abstreitet, die sie bei näherem Aufhorchen dennoch besitzt und mehr besitzt als die früheren Schöpfungen Mahlers. [. . . ] und wenn er wirklich den wonnesamen Ausdruck, den er so blitzschnell

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