- 314 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Mensch (nicht Übermensch) gesund empfindet sich mit Widerwillen von diesem grotesken Produkten einer entarteten Phantasie und Kunstanschauung abwenden. Mit solchen Werken ist meiner Ansicht nach einem gedeihlichen Fortschritt nicht gedient, es sei denn, dass sie als warnendes Menetekel junge Talente vor Verirrung schützen. [E06/W]
Die Schwächen des Werkes, die musikalische Armut neben der stellenweise monströsen Aufmachung, drängten sich fast noch stärker auf als vordem [bei der Uraufführung] [. . . ] Wenn man die ganze Arbeit als ein kühnes Experiment mit Klängen und Klangfarben auffaßt, so läßt sich allenfalls Stellung dazu gewinnen. ; die wesentlichste Wirkung eines Kunstwerkes, nämlich: daß es als ein organisch gewordenes Ganzes, als ein »Gewachsenes« erscheint, habe ich weder früher, noch jetzt von der Mahlerschen Sinfonie verspürt. [. . . ] Aber das mühsame Erspähen von Lichtpunkten ergibt unmöglich einen wirklichen Kunstgenuß; es kommt auf die Gesamtwirkung an, und die war wie gesagt, nichts weniger als erfreulich. [B06/B]

Mit dem Steigern aller Verhältnisse allein ist es nicht getan; es gehören noch andere, positivere Qualitäten dazu, um den Weg ins Neuland zu finden. Deshalb glaube ich nicht, daß aus der Mahlerschen Kunst die ersehnte Zukunft unserer Musik zu erhoffen ist. Immerhin ist diese A-moll-Symphonie eine Erscheinung, an der man nicht vorübergehen kann. Geniale Begabung, fruchtbare Phantasie, die sich über den Durchschnitt strebsamer Mittelmäßigkeit erhebt und frei über das Material zu schalten vermag, muß als solche erkannt und gewürdigt werden, auch wenn sie uns in mancher Hinsicht nicht anmuten will. Sie hilft zum mindesten indirekt [,] das Kommende vorzubereiten. [B06/C]

Denn die Komposition weist große Schwächen auf [B06/D]

Wohl noch weniger als die fünfte und seinerzeit von Nikisch dargebotene Symphonie vermag diese sechste zu befriedigen. [B06/E]

das in seinem Inhalt vielfach anfechtbare Werk [B06/H]

In dem Konzert [. . . ] gab es eine Ueberraschung. G. Mahlers 6. Symphonie ist jedenfalls das eigenartigste, was bisher an musikalischer – Impotenz in der Symphonie von einem bedeutenden Mann (und das ist Mahler schon als Dirigent) geschrieben wurde. [. . . ] Man darf sagen, daß diese 6. Symphonie von der gesamten Kritik Münchens abgelehnt wurde. [M06/A]

wenn man erst einmal über den – für mich abstoßenden und unsymphathischen – Gesamteindruck hinweg ist, fühlt man sich alsbald gefesselt durch die Reize des Details, an denen gerade diese Partitur so reich ist. [M06/B]

Aber im übrigen gibt es in dieser Symphonie große und weite Strecken, welche mich – ich kann mir nicht helfen – schon wie ein halber Bankerott der ganzen Sache anmuten wollen. [M06/C]

und endlich muß die Symphonie als absolute Musik, als die der Komponist sie angesehen wissen will, aufs bestimmteste abgelehnt werden. [M06/D]

Mahlers sechste Symphonie muß künstlerisch glatt abgelehnt werden. [. . . ] Wie eine Erlösung wirkte hinterher das Meistersinger-Vorspiel. [M06/H]

Es gibt eigentlich keine bessere Antizipation aller Kritik über solche Exzesse als Beethovens jüngst hier aufgeführte »Schlacht bei Vittoria« mit ihren Kanonenschlägen und ihrem ratschenerzeugten Gewehrfeuer; dieser schlagenden Kritik in Noten eine Kritik in Worten beizufügen, wäre nur eine Abschwächung. [. . . ] ist es nur doppelt bedauerlich, hier ein sicherlich großes Talent auf Fehlwegen wandeln zu sehen, die ganz gewiß nicht auf den Parnaß und zur Unsterblichkeit führen. [M06/J]

Die Symphonie ist tatsächlich tragisch, nur nicht in positivem oder aktivem Sinne, unmittelbar durch ihren Inhalt, sondern passiv durch ihren Charakter und Wert als Kunstwerk [. . . ] denn es seht unzweifelhaft fest, daß die Musikgeschichte das, was heute die persönlichen Anhänger Mahlers und die Masse der Gecken einer perversen musikalischen Mode als Offenbarung einer Zukunftskunst bejubeln, später einmal als episodale Kunsttäuschung richten wird. [W07/C]

Und nun soll laut und deutlich mit größter Energie und unbekümmert um das Wutgeschrei der Mahlerianer dagegen protestiert werden, daß man dem Publikum einer Stadt, in der Beethoven Schubert, Mozart und Haydn gelebt und ihre hehrsten Werke geschaffen haben, den gesunden musikalischen Sinn und Geschmack durch Darbietungen dieser Art verdirbt. [. . . ] das eindringlichste und anhaltendste Geläute von Kuh- und Hammelherden vermag über die trostlose Gehaltlosigkeit der sechsten Symphonie nicht hinwegzutäuschen. Der Hammel mit seiner Glocke spricht ein

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