- 43 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Im März 1906 besuchten Picquart und Clemenceau die Aufführung der Fünften Symphonie Mahlers in Antwerpen. Mahler berichtet an Alma von einem gemeinsamen Frühstück, bei dem Almas Abwesenheit in Antwerpen sehr bedauert wurde.140
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Briefe Mahlers an Alma, S. 273.
Am 12. August des Jahres schrieb Picquart an Mahler. Er bedankt sich für einen Brief Mahlers und spricht die Hoffnung aus, im Oktober nach Wien zu kommen. Der Brief Mahlers ist leider nicht bekannt.141
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Der Brief Picquarts ist abgedruckt in Alma Mahler, Gustav Mahler. Erinnerungen und Briefe, Amsterdam 1940, S. 364.
Der Schluß liegt nahe, daß Mahler Picquart zu seiner eben erfolgten militärischen Rehabilitierung beglückwünscht und eine baldige Reise Picquarts nach Wien angesprochen hat. Picquarts sehnlichster Wunsch nach dem Ende der Drangsalierungen infolge seines Einsatzes für Dreyfus sei es gewesen, eine Art Wallfahrt zu den Stätten Beethovens zu machen, so berichtet Berta Szeps Zuckerkandl.142
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Berta Szeps-Zuckerkandl: Ich erlebte fünfzig Jahre Weltgeschichte, Stockholm 1939, S. 186.

Der Dreyfus-Kreis besuchte dann im Oktober 1906 Wien. Berta Szeps-Zuckerkandl zitiert Mahlers Äußerung, »für diese wahren Freunde geheime Festwochen« veranstalten zu wollen; sie spricht von einer »geistigen Vereinigung seltener Art zwischen Franzosen und Österreichern«.143

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Ebd.
Alma erwähnt ebenso diese »Festwoche« mit Aufführungen von Figaro, Don Juan und Tristan.144
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Alma Mahler, Erinnerungen, S. 132.
Diese und weitere Opern Mozart, Beethovens Fidelio und andere fanden zwischen dem 9. und 19. Oktober 1906 statt. Direkt vor Beginn des Tristan erhielt Picquart ein Telegramm des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau (1841–1929), dem älteren Bruder von Paul (1856–1945), in dem er ihn zum Kriegsminister ernannte und die sofortige Abreise anordnete. So blieb der Wunsch Picquarts, für den Fall seiner Freilassung aus der Gefangenschaft, von Mahler den Tristan dirigiert zu hören, unerfüllt.145
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Szeps-Zuckerkandl, ebd. 187f. Alma berichtet, Picquart habe erst während der Aufführung das Opernhaus verlassen; sie druckt eine Visitenkerte Picquarts an Mahler ab (Alma Mahler, Erinnerungen,132f).

Auf der Rückreise von Amerika Anfang 1909 kamen Gustav und Alma Mahler über Paris, wo Rodin eine Büste von Mahler modellieren sollte. Bei dieser Gelegenheit gab Picquart als Kriegsminister ein Déjeuner im Ministerium, bei dem auch die anderen Mahler-Freunde zugegen waren. Das Ehepaar Clemenceau besuchte die von Mahler dirigierte Siebte Symphonie Anfang Oktober 1909 in Holland.146

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Briefe Mahlers an Alma, S. 412.
Ein letztes Zusammentreffen mit Picquart ergab sich im April 1910 anläßlich der Aufführung von Mahlers Zweiter Symphonie im Pariser Châtelet.147
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Alma Mahler, Erinnerungen, S. 179–181, 197–199.
In dem im gleichen Jahr erschienenen Mahler-Buch von Paul Stefan nennt dieser den Franzosen einen »Politiker von links«148
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Paul Stefan, Gustav Mahler. Eine Studie über Persönlichkeit und Werk, München 1910, S. 63.
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Die dargestellten Beziehungen zwischen Mahler und Picquart lassen den Schluß zu, daß dieser gemeinsam mit dem Pariser Dreyfus-Kreis Mahler und seine Musik tatsächlich aufrichtig bewunderte. Umgekehrt zeigt sich die große Achtung für Picquart eher in den Elogen Almas, während eine Äußerung Mahlers für seine


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