- 53 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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III.  Musik und Welt: Zu Mahlers Ästhetik

Der sicherste Weg, das Verständnis Mahlers über seine Art des Komponierens zu ermitteln, führt über die Analyse seiner eigenen Worte. Die einzig authentischen und verläßlichen Äußerungen liegen in seinen Briefen vor, die in kritischen Ausgaben greifbar sind. Es sind zum einen die beiden von Herta Blaukopf herausgegebenen Bände mit Briefen, deren einer auf dem von Alma Mahler publizierten Briefband von 1924 basiert, des weiteren die von La Grange und Weiß herausgegebenen Briefe an seine Frau, ferner der separat publizierte Briefwechsel mit Richard Strauss, die von Eduard Reeser herausgegebenen Briefe an holländische Musiker und schließlich eine Reihe von einzeln publizierten Briefen1

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Vgl. Literaturverzeichnis.
. Zu diesen Äußerungen treten einige weitere Schriftdokumente hinzu, vor allem die Programme zu seinen frühen Symphonien.

Die Fülle der Erinnerungsliteratur ist dagegen sehr kritisch zu betrachten und als authentische Quelle in Frage zu stellen wenn nicht gar ganz auszuschließen. Hierzu gehören in erster Linie die Erinnerungen von Nathalie Bauer-Lechner, diejenigen von Alma Mahler, das Mahler-Buch von Bruno Walter und die Begegnung mit dem Genius von Ludwig Karpath. Sodann folgen die von Norman Lebrecht zusammengestellte Sammlung von Erinnerungen und die kleineren Aufsätze in den Mahler-Heften einiger Musikzeitschriften2

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Die Musik (1911), Der Merker (1912), Musikblätter des Anbruch (1920), Moderne Welt (1921)
. In vielen Fällen erfolgte die Niederschrift dieser Erinnerungen sehr viel später als die Begegnung mit Mahler, und häufig lassen sich konkrete Motive für die spezifische Gestalt der Erinnerungen ausmachen. So war Bruno Walter immer bestrebt, Mahler von der Programmusik abzugrenzen und ihn als Komponisten absoluter Musik darzustellen, – eine Position, die durch Mahlers eigene Aussagen widerlegt wird.

Auch Alma Mahlers Erinnerungen dürften von konkreten Absichten geprägt gewesen sein, ein bestimmtes Bild ihres Mannes und seines Verhältnisses zu ihr der Nachwelt zu übermitteln. Das Buch entstand in den frühen dreißiger Jahren, also mehr als zwanzig Jahre nach dem Tod Mahlers. Die Zuverlässigkeit der Aussagen Alma Mahlers im allgemeinen und der Zeugnisse des Buches im besonderen sind vielfach kritisch beleuchtet worden. Richard Strauss hat sein Exemplar des Buches mit vielen Randbemerkungen versehen und darin Einzelheiten der Darstellung bestritten. Vor allem die negative Darstellung seiner Frau weist er zurück und läßt ihn zu dem Resümee gelangen: »Dilettantische Halbwelt biographiert, Minderwertigkeit eines liederlichen Weibes, Erfindungen, Entstellungen u. Lügen über eine treue und anständige Frau richten sich von selbst.«3

3
Zit. nach: Briefe Mahlers an Alma, S. 128.
Des weiteren bewertet Ernst Krenek, der mit Mahlers Tochter Anna verheiratet war und somit in Kontakt auch zu Alma Mahler stand, die Aussagen Almas über ihren Mann als wenig verläßlich. Er beschreibt in seinen Lebenserinnerungen einige »Purzelbäume des Intellekts und Charakters Almas« schon in den zwanziger Jahren, wo Mahler je nach Laune eine

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