- 54 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (53)Nächste Seite (55) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

völlig entgegengesetzte Darstellung seitens Alma erfuhr.4
4
Ernst Krenek, Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne, Hamburg 1998, S. 362f.
Ein ähnlicher Beleg findet sich in einem Brief Franz Schrekers an Paul Bekker vom 18.12.1918. Schreker bemühte sich um Erinnerungen Almas, die jetzt Gropius hieß, für Bekkers Mahler-Buch: »Es ist mir bis heute noch nicht gelungen von Frau Gropius zusammenhängendes Authentisches in Angelegenheit ihrer Fragen zu erlangen. Sie vertröstet mich von einem mal auf das anderemal – dann hat sie wieder ›Grippe‹ etc. So daß mir die Sache endlich zu dumm wurde und ich versucht habe anderswo das Gewünschte zu erfahren. Über die Gründe die Frau M[ahler]-G[ropius] dazu veranlassen? Ich hege Vermutungen. Erstens ihre Uninteressiertheit und vollständige Unfähigkeit sich auf irgendeine nicht amüsante Sache zu concentrieren. Zweitens – sie weiß nichts. Sie hat sich für ihren Mann zeitlebens nicht besonders interessiert. Notizen hat sie sich nicht gemacht. Briefe, Partituren zum Teil verschenkt. Ihr Gedächtnis aber ist unverläßlich. Was sie wußte steht in den Büchern der Herren Specht und Stefan auf die sie mich wiederholt verwies. Die haben ihr durch Jahre die Tür eingerannt und da sie ja übrigens mit den Beiden durch lange Zeit sehr freundschaftlich verkehrte und wohl noch verkehrt, so werden die Beiden tatsächlich das Menschenmögliche aus ihr herausgezogen haben. Das war aber vor Jahren, da war sie noch jünger und beweglicher.«5
5
Paul Bekker/Franz Schreker, Briefwechsel, hrsg. von Christopher Hailey, Aachen 1994, S. 84.

Diesen Aussagen über die unzulängliche Zuverlässigkeit der Mahler-Darstellung Almas könnten weitere hinzugefügt werden, nicht zuletzt aus den vorliegenden Biographien über sie. Dennoch spielen Alma Mahlers Erinnerungen eine wichtige Rolle in der Mahler-Biographik. Deshalb sind sie in biographischer Hinsicht hier vorsichtig mit herangezogen worden sind, wodurch sich aber keine entscheidende Erkenntnis ergeben hat, die nicht auch ohne das Buch zutage getreten wäre. In der diffizileren Problematik der ästhetischen Position Mahlers soll auf sie verzichtet werden.

Einen besonderen Quellenwert besitzen die zu Lebzeiten Mahlers publizierten Mahler-Bücher aus dem Kreis seiner Vertrauten, denn diese mußten sich seiner kritischen Prüfung stellen. Hierzu gehört, neben dem Büchlein von Schiedermair von 1900, vor allem das erste Mahler-Buch von Richard Specht von 1905 sowie dasjenige von Paul Stefan von 1910.

Mahlers Vorstellung von seiner Musik läßt sich am authentischsten jedoch aus seinen Briefen ermitteln. Am deutlichsten hat er sich hierzu gegenüber Musikkritikern erklärt, so gegenüber Otto Lessmann, Max Kalbeck, Max Marschalk, Arthur Seidl, Richard Batka, Oskar Bie und Richard Specht. Demgegenüber hat er mit Musikern nicht über ästhetische Fragen diskutiert, sondern in aller Regel praktische Fragen behandelt. Bruno Walter bildet hier eine gewisse Ausnahme. Der gesamte erhaltene Briefwechsel mit Richard Strauss zeigt nicht eine einzige tiefergehende Bemerkung zu ästhetischen Komplexen. Genauso verhält es sich mit den Briefen an Arnold Schönberg, Willem Mengelberg, Carl Goldmark und Felix von Weingartner.

Sicher ist hinter jeder Briefaussage eine konkrete Absicht zu vermuten. Mahler äußerte sich gegenüber Kritikern über seine Musikauffassung, um Verständnis für seine Art der Musik zu erwirken. Nach den Erfahrungen mit den Aufführungen


Erste Seite (i) Vorherige Seite (53)Nächste Seite (55) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 54 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang