- 73 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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positiv gezeichnet oder es wird von seiner eigentlichen Tätigkeit abgelenkt. In Hugo Wolfs Mörike-Vertonung Der Tambour (1888) geht es um die Sehnsucht des Soldaten nach gutem Essen. Das Eichendorff-Lied Der Soldat I (1887) handelt von der Liebe, auf die der Soldat doch letztlich verzichtet, in Der Soldat II (1886) wird immerhin der drohende Tod angesprochen. Max Regers Soldatenlied (op. 76,46; 1910) auf den Text von Martin Boelitz feiert die Tapferkeit und Schlagkraft des Protagonisten. In den Liedern von Richard Strauss finden sich zwei Jugendarbeiten auf Texte von Hoffmann von Fallersleben, ein Soldatenlied von 1878 und ein Husarenlied von 1876. Sie entsprechen dem gängigen Soldatenbild, letzteres mündet in der Erkenntnis: »Nur siegen oder sterben! Kamerad es bleibt dabei«. Im Mai 1918 komponierte Strauss ein Lied der Frauen, wenn die Männer im Kriege sind. Der Brentano-Text handelt von der Sorge der Frauen um ihre Männer, von dem Wunsch, sie lorbeerbekränzt zurückkehren zu sehen und von der Gewißheit, daß ein möglicher Tod im Sinne des Herrn ist, dessen Wille gelobet sei. Strauss orchestrierte das Lied im September 1933.21
21
Schlötterer, S. 136f., 76f.
Auf die Soldatenthematik bei Ludwig Streicher wurde oben schon hingewiesen.

Mahlers Sonderstellung im Umgang mit dem Soldatensujet dürfte sich aber nicht auf die Textauswahl beschränken, sondern sich auch und vor allem auf die Art der Vertonung der Texte erstrecken. Es schließt sich also die Fragestellung an, in welch spezifischer Weise Mahler die Soldatentexte der Wunderhorn-Sammlung musikalisch umsetzt, wie er den Krieg und den Soldaten musikalisch darstellt. Für diese Untersuchung bietet sich an erster Stelle das Lied Revelge an, da hierin der schicksalhafte Niedergang des Soldaten wohl am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Außerdem hat Adorno den Bezug dieses Liedes zur Sechsten Symphonie postuliert. Diesem vorletzten der Soldatenlieder von 1899 sollte das zuerst entstandene gegenübergestellt werden, Zu Straßburg auf der Schanz’, das in der Mahler-Forschung zwischen 1887 und 1890 datiert wird22

22
Vorwort zur Kritischen Gesamtausgabe Band XIII, Teilband 2a, S. V.
. Zwischen diesen beiden Eckpunkten liegen die mittleren Wunderhorn-Lieder; hier dürfte es aufschlußreich sein, dasjenige zu untersuchen, zu dem eine Parallelvertonung von Theodor Streicher vorliegt: Der Schildwache Nachtlied von 1892.

Revelge

Neuere Analysen der Mahlerschen Komposition stammen von Susanne Vill (1979) und Elisabeth Schmierer(1991). Der Interpretation Vills, die in dem Lied einen destruktiven Charakter erkennt, ist Renate Hilmar-Voit 1988 entgegengetreten. Sie postuliert eine ironische Grundtendenz des Liedes und spricht von einem »Lachen unter Tränen«. Sie verweist auf den von Mahler gebrauchten Begriff der Humoreske.23

23
Hilmar-Voit S. 236f.
Mahler verwendete diese Klassifizierung erstmals 1892 für die fünf Anfang dieses Jahres entstandenen Orchesterlieder nach Wunderhorntexten. Es sind Der Schildwache Nachtlied, Verlor’ne Müh, Trost im Unglück, Wer hat dies Liedlein erdacht und Das himmlische Leben.24
24
Vorwort von R. Hilmar-Voit zur Gesamtausgabe der Orchesterfassungen der Wunderhorn-Lieder, = Gustav Mahler, Sämtliche Werke, Kritische Gesamtausgabe, Bd. XIV, Teilband 2, Wien 1998, S. XV.
Die Anwendung des Begriffs »Humoreske« auf das Lied Revelge geht aber nicht auf Mahler, sondern auf Natalie Bauer-Lechner

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