Die Rolle einer Interpretation ist es folglich, stilistische Abweichungen klar zum
Ausdruck zu bringen. Wie Adorno es ausdrückt: »Immer kritische, d.h. abweichende
Noten hervorheben« (Adorno [2001], S. 201). Hierfür muss wiederum der Interpret – ob
nun bewusst oder unbewusst – eine stilistische Analyse des Notentextes durchführen, um
auf diese Weise die Absichten des Komponisten ansatzweise zu verstehen. Trotz aller
Analysen bleibt Interpretation aber sehr stark von der Subjektivität des Interpreten
abhängig:
[Interpretation] however may, and normally does, extend beyond the interpreter’s conception of the author’s idea and represent, rather, the interpreter’s own idea of the music, possibly embodying understandings of what is taken to be latent in the score but also his or her own view of the best way of conveying that idea [...] (Davies/Sadie [2001], S. 498). Um diese Subjektivität zugunsten des ›objektiveren‹ Notentextes zu reduzieren und somit den Absichten des Komponisten wieder näher zu kommen, haben Autoren wie Kolisch und Adorno theoretische Ansätze für die Interpretation vorgeschlagen:
Die Theorie der Aufführung konstruiert die epistemologische Basis für die Aufführung als eine disciplina sui generis, losgelöst von der Unterweisung am Instrument. Gehalt und Bedeutung der Zeichen der Notation werden systematisch untersucht und definiert als ›Elemente der Aufführung‹. Indem ein Maximum an objektiver Information aus diesen Zeichen herausgebildet wird, werden die Bereiche der Interpretation, nämlich die der subjektiven Entscheidungen, verringert (Kolisch [1983], S. 14–15). Aber das bloße Verschieben der Aufmerksamkeit auf den Notentext reicht nicht aus, um diese subjektiven Entscheidungen zu verringern:
Adornos wie Kolischs Ansatz setzt die Gewährleistung einer objektiven Analyse voraus, bei der kompositorische Strukturen nicht in einen Text hineingelesen werden, sondern in einer möglichst wertfreien Form aus diesem zu extrahieren sind. Sind nach Kolischs Theorie die subjektiven Entscheidungen bei einer Interpretation zu verringern, so sind diese bei einer objektiven Analyse möglichst ganz auszuschalten (Stange-Elbe [1999], S. 6). Kolischs Wunsch nach einer objektiven Analyse wurde durch die Entwicklung der mathematischen Musiktheorie (MaMuTh) durch Guerino Mazzola (siehe Mazzola [1990]) und ihrer darauffolgenden Implementierung in die Software Rubato realisiert.
RUBATO und die ›klingende Analyse‹Rubato ist eine modulare Plattform zur Analyse und Performance1
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