Hand einer Kurve folgen, welche der melodischen Wellenform dieser Takte eng
verwandt ist: Die Lautstärke steigt zusammen mit der Melodie auf und ab. Diese
interessante Eigenschaft der Interpretation Sokolovs wurde in Abbildung 5.7 nicht
berücksichtigt, um sie nicht unnötig zu belasten.
Lugansky, Sokolov und Pollini respektieren im allgemeinen die von Chopin
angegebenen dynamischen Anweisungen, wobei Fialkowska und Lortie sich viele
Abweichungen erlauben. Es gibt aber auch spezifische Stellen, an denen die
Abweichungen zur Vorgabe im Hinblick auf die anstehende Performance sowohl
analytisch als auch interpretatorisch von großer Bedeutung sind:
- Fialkowska und Sokolov ersetzen in T. 7 das vorgeschriebene diminuendo durch
ein (subito) mezzo piano. Fialkowska wiederholt diese Ergänzung in den thematisch
ähnlichen T. 13 und 31, aber nicht in T. 25 und 71. Aus diesem unregelmäßigen
Gebrauch darf man schließen, dass für Fialkowska beide dynamische Veränderungen
wohl beliebig austauschbar sind.
- Das crescendo in der zweiten Hälfte von T. 8 (sowie in den T. 16 und 72) wird
meistens von den Interpreten – bis auf Sokolov – ignoriert.
- Die nach drei Takten Chromatik einsetzenden Quartsprünge in den T. 19/20 und
37/38 haben eine stark stabilisierende Wirkung, und sie werden von Fialkowska und
Sokolov – wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln, einem forte und einem mezzo
piano – deutlich betont (Abbildung 5.8).
- Lortie fügt der Etüde in T. 40 ein starkes decrescendo hinzu, welches ihm
ermöglicht, im darauffolgenden Takt – in dem die Rollen beider Hände vertauscht
sind – piano statt forte anzufangen und zu einem zweitaktigen crescendo
anzusetzen. Ein subito mezzo piano in T. 43 lässt dann ein zweites ähnliches
crescendo zu.
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