- 10 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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 seine Passio stehen, die wie kaum ein anderes Werk in Pärts späterem Œuvre Ausgangspunkt ästhetischer Diskurse war.

Sein bis zu diesem Zeitpunkt längstes und wohl radikalstes Tintinnabuli-Stück geriet bei der Uraufführung in München (27.11.1982, St. Lukaskirche) ins Kreuzfeuer der Kritik, die die "Marathonstrecke ausladender Askese wie psychologisch determinierter Belastbarkeit und Frömmigkeitsexerzitien"(Fuhrmann 1982) fast einhellig ablehnte. In der Januarausgabe der Zeitschrift Oper und Konzert wurde die ërmüdende Dauerverwendung von Quartschritten" heftig gescholten. Das vernichtende Fazit sprach von der

"würdige[n] Präsentation des wegen seines Ernstes, seines frommen Wollens und seiner ehrlichen Haltung zu respektierenden, aber letztlich keineswegs aus dem Schatten der großen Passionen von Schütz, Bach und Händel bis hin zu Pepping und Penderecki herausgetretenen Werks." (N.N. 1983)
Ganz anders die Reaktionen der Kritiker bei der britischen Premiere des Stücks beim Festival Almeida in Islington am 9.6.1986. Pärt erhielt von Seiten des Observers, des Daily Telegraph, des Guardian oder der Times einhelliges Lob. Das Werk hinterließ bei den meisten Rezensenten einen positiven Eindruck - a "profound impression"(The Times, 11.6.1986). Für Keith Potter war Pärts hypnotisches Passionswerk außer Frage ein Meisterwerk, das sich für ihn ausgerechnet gegenüber Pendereckis Lukaspassion positiv absetzte (vgl. Potter 1986b, 21). Insgesamt war das Presseecho in seiner positiven Resonanz und deutlichen Begeisterung für Pärts faszinierend empfundene Klangwelt erstaunlich.

Mag dieses Beispiel das zwiespältige Interesse an Wirkungs- und Rezeptionsphänomenen von Pärts Musik exemplarisch belegen, zeigt ein Blick auf die Forschungsliteratur über Pärt ein überraschendes Defizit. Soweit man die Pärtforschung der letzten Jahrzehnte überblicken kann - die Berücksichtigung insbesondere der russischen und estnischen Beiträge durch die westliche Forschung ist leider immer noch nicht vollkommen vollzogen - wird deutlich, daß Rezeption und Wirkung von Pärts Musik zwar oftmals zu den hermeneutischen Konstanten der Studien gehören, theoretisch aber sehr wenig reflektiert wurden.

Die immer wieder aufgestellte Hypothese, Pärts Musik wohne eine besondere Wirkung inne, bleibt meist bei ihrer Feststellung und dem marginalen Hinweis auf minimalistische o.ä. Tendenzen oder magische Eigenschaften des Komponisten stehen. Nicht selten verzichten die Autoren und Autorinnen, die auf die musikalische Wirkkraft hinweisen, mit Rücksicht auf den vermeintlich mystischen Gehalt und geheimnisvollen Rätselcharakter auf eine eingehende Analyse des Materials und bedienen sich undeutlicher metaphorischer Beschreibungen (vgl. Sandner 1983, 1984). In diesem Zusammenhang ließ sich auch die Feststellung vom Ende der Geschichte in Pärts Musik wie auch die Behauptung vom Ende der Analyse seiner Werke vernehmen. Schließlich war vom Ende des Kunstanspruchs in Pärts Ästhetik (vgl. Zimmerlin 1996) die Rede und gar vom Ende der Kritik an dessen Kompositionen (vgl. Goertz 1999).

Gründliche analytische Studien zu Pärts Musik hingegen vernachlässigten nicht selten die theoretische Reflexion ihrer Wirkung und Rezeption zugunsten von satztechnischen Analysen. Paul Hilliers Monographie kann beispielsweise auf eine beachtenswerte ästhetische Annäherung und eine ausführliche Analyse von Pärts Werken verweisen, zum Phänomen der Wahrnehmung von Pärts Musik mit Blick auf


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