- 16 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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 gegenwärtigen Leben, von den Interessen des Volkes [...]."(Schawerdjan 1948, 20; Gojowy 1980, 351)

Solcher Verurteilung unterlag nach diesen Vorgaben die Neue Musik Rußlands vom Jahrhundertbeginn an (vgl. Schawerdjan 1948, 21f., Gojowy 1980, 353ff.), gerade auch in jenen Stilrichtungen und Erscheinungen, die in Wirklichkeit ihren internationalen Ruhm aus jenem Silbernen Zeitalter begründeten.

"[...] in den Jahren der politischen und gesellschaftlichen Reaktion, die auf die Niederlage der Revolution von 1905 folgte, treibt die Dekadenz auch auf russischem Boden bunte Blüten und erfasst auch den Bereich der Musik. Es ist bekannt, dass [...] Maxim Gorki das Jahrzehnt von 1907 bis 1917 'das schändlichste und talentloseste Jahrzehnt in der Geschichte der russischen Intelligenz' genannt hat. Ein bedeutender Teil der russischen Intelligenz wandte sich, nach den Worten des Genossen Schdanow, 'von der Revolution ab, vergnügte sich im Sumpf reaktionärer Mystik und Pornographie, erhob die Ideenlosigkeit zu seinem Banner.' Eben in diesen Jahren schwammen 'die Dekadenten aller Schattierungen ans Licht, hatten sich vom Volke losgesagt, die These von der Kunst um der Kunst willen verkündet, die Ideenlosigkeit in der Literatur gepredigt und ihre eigene ideelle und moralische Verkommenheit hinter der Jagd nach der schönen Form ohne Inhalt verborgen.' Dies waren die Symbolisten, Akmeisten in der Poesie, junge Gruppen linker Maler, die sich vor den modischen französischen Götzen verneigten, die Vertreter des handlungslosen modernistischen Theaters, das Lunatscharski als Theater der versauerten Intelligenz bezeichnete, und weitere, und weitere. Der modernistische Wurmfraß dringt auch in den Bereich der Musik ein. Die russischen Impressionisten Rebikow, N. Tscherepnin und der junge S. Wasilenko bemühen sich, die treibhausartigen Erlesenheiten der neuesten französischen Kunst auf russischen Boden zu übertragen. Das Schaffen des höchst talentierten Skrjabin, das sich in der frühen und reifen Periode durch tiefe Menschlichkeit und mächtiges Pathos der Lebensbehauptung auszeichnete, ist in der letzten Periode durch eine sich immer weiter vertiefende Krisis charakterisiert, die sich im Zerfall der Form erzeigte, im Verstoß gegen die natürlichen Gesetze des tonartlichen und melodischen Denkens, im Vorherrschen äußerst individualistischer und mystischer Stimmungen. Einen offenen Kampf gegen die Traditionen der russischen realistischen Musik führen die jungen modernistischen Grüppchen, die sich um die Abende zeitgenössischer Musik in Petersburg und um die Zeitschrift Muzyka in Moskau formieren. Hier wird das musikalische Erbe des Mächtigen Häufleins und Tschaikowskys für hoffnungslos veraltet, provinziell und routinehaft erklärt. Diensteifrig wird alles Neue ergriffen und reklamiert, was aus der westlichen dekadenten Musik nach Rußland gebracht wurde. 'Nieder mit dem kleinbürgerlichen Flenner Tschaikowsky, hoch lebe das Werk von Debussy, Roger Dukas, Richard Strauss, Reger, Schönberg; von ihnen werden wir die zeitgenössische Musiksprache lernen!' - solches waren die Losungen, die von den Modernisten, den sogenannten zeitgenössischen Kreisen verkündet wurden. Hierher leitet der Formalismus in der sowjetischen Musik seinen Stammbaum. Hier erzog man in ultramodernistischem westlichem Geiste die jungen russischen Komponisten, bemüht, sie von den Einflüssen der Glazunow-Korsakow-Schule des Konservatoriums loszureißen. In diesem Kreis begannen I. Strawinsky und S. Prokofjew, N. Mjaskowski und Igor Glebow ihre musikalische Tätigkeit. Es ist interessant zu


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