- 32 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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Im zweiten Teil lesen wir ganz deutlich, daß sich die Schöpfung nicht wandeln kann, weil Gott der Veränderung durch die Zeiten nicht unterworfen ist. Und im Bibellexikon heißt es: "Die Ewigkeit [...] besteht einmal in ihrer unendlichen Dauer, also in ihrer Ungewordenheit und ständigen Gegenwart, zum andern in der Macht, mit der sie das Seiende vernünftig durchherrscht. Es gibt also eine bleibende ewige Wesensgestalt, deren unvollkommene, in der Zeit vergehende, allerdings ständig wiederkehrende Nachahmung die sichtbare Welt ist."

Hier ist die Ewigkeit auch als statische Macht erkannt, die die Nachahmung der Welt als ewig gleichbleibende garantiert. Wenn Pärt die Nachahmung der Welt als stetigen Anfang bezeichnet, dann mag er in Teilen recht haben. Aber Augustinus sieht die Schöpfung als ein globales Ereignis. "Was ist also die Zeit?" fragt Augustinus. "Wenn nichts vorüberginge, dann gäbe es keine Vergangenheit, und wenn nichts herankäme, gäbe es keine Zukunft, und wenn gar nichts wäre, dann gäbe es auch keine Gegenwart."(Confessiones XI, 629) Wenn eine Gegenwart immer bliebe, dann würde sie zur Ewigkeit, also hier auch schon die Trennung Ewigkeit - reales Dasein.

"Denn was nicht ist, kann auch nicht gesehen werden, und die von Vergangenem erzählen, würden nichts Wahres erzählen, wenn sie im Geiste nicht vergangene Dinge sähen. Gäbe es diese gar nicht, könnten sie überhaupt nicht erkannt werden. Also kommt dem Zukünftigen und dem Vergangenen Sein zu." (ebd.)
Augustinus sieht die Zeitebenen "Vergangenheit", "Gegenwart" und "Zukunft" nicht als getrennt verlaufende Zeitschichten, sondern als eine Einheit, die unsere Seele bewegt, so daß er schreiben kann: "Denn es sind diese Zeiten als eine Art Dreiheit in unsrer Seele, und anderswo sehe ich sie nicht."(zit. n. Kienzler 1998, 284) Augustinus unternimmt eine Veränderung der beiden Begriffe Vergangenheit und Zukunft. Sie sind nicht mehr gegenwärtige Formen des Seienden. Sondern: Die vergangenen und zukünftigen Dinge bekommen Zeitqualitäten. Die Zeit existiert nur, wenn es Seiendes in der Zeit gibt. Das Seiende in der Zeit, das Innerzeitliche, ist in den drei Seinsweisen Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges vorhanden (vgl. Corradini 1997, 29). Wir holen die Bilder des Vergangenen und des Zukünftigen, die vestigia ex memoria. So wird die Vergangenheit zur memoria, zur Erinnerung, die Zukunft zur Erwartung (expectatio). Die vergangenen Dinge (Entitäten) hinterlassen im Geist (animus) Spuren (vgl. Corradini 1997, 30). Augustinus führt dazu aus:
"Sagt man vom Zukünftigen, es werde gesehen, dann wird nicht dieses Zukünftige selbst gesehen, das noch nicht ist, also erst zukünftig ist, sondern wohl dessen Ursachen und Zeichen, die schon sind. Die sind dem Seher nicht zukünftig, sondern gegenwärtig. Aus ihnen erfaßt der Geist dann das Zukünftige und kann es dann vorhersagen." (Confessiones 24, 319)
Die drei Zeiten entsprechen der Erinnerung (memoria), der Anschauung (attentio) und der Erwartung (expectatio). Sie sind aber keine Zeiten im üblichen Sinn (vulgäres Zeitverständnis), sondern repräsentieren den Vorgang der Vergegenwärtigung. Erinnerung und Erwartung sind als Vollzug der Gegenwart zu sehen, der immer gegenwärtig abläuft (vgl. Corradini 1997, 31). Die Aufgabe der memoria ist

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