Peter W. Schatt
Assimilation und Widerstand. Musikpädagogische Perspektiven
zum Werk Arvo Pärts
1 Methodologische Vorüberlegungen
Wer sich mit der Musik eines Komponisten befaßt, setzt
sich unweigerlich einem Prozeß wechselseitiger Erschließung
aus: Wie die suchende oder fragende Auseinandersetzung die Gegebenheit
der Musik dem Zugang öffnet, so öffnet die Musik den Weg und
die Weise des Suchens und Fragens. So ergeben sich zwei Aspekte aus dem
Vorhaben, musikpädagogische Perspektiven zum Werk Arvo Pärts
zu entfalten: Zum einen gerät das Werk unter der Prämisse der
Perspektive, zum anderen aber auch die Perspektive unter der Prämisse
des Werks in den Blick. Beide Aspekte werden aufgrund ihrer dialektischen
Beziehung im besonderen Falle Pärts durch eine Eigenart seines Schaffens
problematisch, stellt es sich doch nicht ohne weiteres in jenem Sinne von
Einheit der Musik in sich, aber auch von Einheit zwischen Person und Musik
dar, welche die Formulierung Pärts Musik nahelegt.
Eine Perspektive entsteht durch eine bestimmte Haltung;
die musikpädagogische wird durch eine Interessenlage und eine daraus
resultierende Fragestellung begründet, die auf den Aspekt der Vermittlung
gerichtet ist, und zwar in doppelter Hinsicht.
Eine erste Hinsicht ist in die Frage zu fassen, als was
das Werk selbst sich vermittelt und durch welche Eigenarten dies möglich
wird. Da Vermittlung ein kommunikativer Vorgang ist, kommen von
hier Aspekte der Höreinstellung und ihres Rückhalts nicht nur
in der Disposition des Hörenden, sondern auch in der musikalischen
Erscheinung zum Tragen. Zu fragen ist, welche Art der Realisierung des
ästhetischen Objekts in der Wahrnehmung durch das Objekt begünstigt
wird.
Nun bestehen bekanntlich erhebliche Differenzen hinsichtlich
der Ergebnisse hörenden Verstehens von Musik. Daraus resultiert die
zweite Hinsicht. Es dürfte allgemeiner Konsens sein, daß praktische
Musikpädagogik das Ziel hat, die Fähigkeiten von Menschen, mit
Musik umzugehen, zu fördern. Allerdings werden die Fragen nach dem
Inhalt dieser Förderung und dessen Begründbarkeit unterschiedlich
beantwortet. Selbst wenn man unterstellt, daß keine Legitimationsargumentation
letztlich von einer als idealtypisch angenommenen Gegenstandsqualität
des ästhetischen Etwas abstrahieren kann, erscheint Musik in ihrer
Handlungs- und Erziehungsbedeutsamkeit immer im Horizont dessen, was Hermann
J. Kaiser ihre "historisch-gesellschaftlich gewachsene und geformte Tatsächlichkeit"(Kaiser
1998, 108) nannte. In dem Maße, wie in diesem Sinne Inhalt, Sinn
und Bedeutung musikpädagogischer Intentionalität diskursiv werden,
geraten mit dem besonderen Phänomen des Werks zugleich dessen allgemein-ästhetischer,
kultureller und anthropologischer Horizont in Verbindung mit den entsprechenden
Horizonten der Hörer in den Blick. All diese Momente versammeln sich
im Brennpunkt des
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