- 48 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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Problems von Normativität im musikpädagogischen Handeln, letztlich der Frage, was ein angemessener Umgang mit Musik sei.

Wer eine musikpädagogische Perspektive einnimmt, verengt also nicht seinen Untersuchungsansatz, sondern er fokussiert aufgrund der spezifischen Fragehaltung diejenigen Momente, die gemeinsam mit den musikalisch-fachwissenschaftlichen und zugleich über sie hinaus im Rezeptionsvorgang sowohl des Einzelnen als auch in einer Kultur für die Generierung von Musik relevant sind, auf den Aspekt, wie eine Förderung dessen, was in musikalischer, ästhetischer, kultureller und anthropologischer Hinsicht schon ist, durch das, was sein könnte oder sollte, begründet oder ermöglicht werden kann.

In diesem Zusammenhang ist der Blick auf das musikalische Etwas insofern von Bedeutung, als wir davon ausgehen können, daß einerseits Rezeptionsvorgänge durch musikalische und musikbezogene Erfahrung bestimmt werden, andererseits die Erfahrung durch Rezeptionsvorgänge verändert werden kann. Dabei ist der materiale Kern der Erfahrung entscheidend betroffen, der seinerseits durch die jeweilige spezifische Geformtheit von Musik - als eine der Ursachen für ihre Tatsächlichkeit - mitbestimmt wird. Insofern erscheint die Frage legitim, ob die Musik Pärts im Zusammenhang mit Musik-Lernen und musikalischer bzw. musikbezogener Bildung im Kontext ästhetischer Erfahrung eine besondere Funktion erfüllen kann.

Spätestens beim vorbereitenden Nachdenken über einschlägigen Unterricht kommen in dem Maße, wie im musikpädagogischen Horizont auf Interpretation von Musik zu rekurrieren ist, Rezeption und Wirkung mit ins Spiel: die eigene Rezeption, die Rezeption in der Öffentlichkeit, die musikwissenschaftliche und musikdidaktische Rezeption, die zu erwartende bzw. - in der Unterrichtsdurchführung - die tatsächliche Rezeption der Schülerinnen und Schüler. Dazu immer wieder prüfend eigene Äußerungen der Komponisten in Worten und in Musik gegenzulesen bzw. gegenzuhören, gehört zu den fundamentalen Aufgaben einschlägiger musikpädagogischer Arbeit.

Mit Blick auf Pärts Musik ist dies von besonderem Interesse, denn sie selbst läßt in besonderer Weise auf eine Grundtendenz vorliegender musikdidaktischer Arbeiten aufmerksam werden: die Tendenz, das musikpädagogisch relevante Potential musikbezogener Äußerungen durch kategoriale, generalisierende oder normative Zuordnungen umschlagen zu lassen in ein Potential von Begrenzungen oder Einschränkungen. Nicht selten fungieren gegenstandsbezogene, häufiger noch aus der Rezeptions- oder Vermittlungsreflexion gewonnene subjektbezogene Kategorien wie Schubladen, in denen das erstickt, was aufbewahrt werden soll.

Geht man davon aus, daß es gerade das Nicht-Passende, das die Gewohnheiten, Normen und Regeln Überschreitende des Ästhetischen ist, was dessen Kunstcharakter ausmacht, so dürfte es im Bereich der Musik eine dem adäquate Hör-Kunst sein, die das Künstlerische erst Wirklichkeit werden läßt: allerdings nur für den, der die Kunst eines Hörens beherrscht, das sich von der Phänomenalität der Musik leiten läßt, ohne sich in ihr zu verlieren, und nur im Zusammenhang mit einer Musik, die ein derartiges Hören ermöglicht oder gar erfordert. Diesen Anspruch scheint Pärts Musik in hohem Maße einzulösen.


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